Full text: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

— 60 — 
es seid, der ebenso eifrig im Glauben einst berufen sein 
wird, eine hohe Stelle einzunehmen auf der kirchlichen 
Stufenleiter. Gewiß werdet auch Ihr nicht anstehen, 
überall das giftige Gewürm der Ketzer zu zertreten, wo 
Ihr es findet auf Eurem Wege. Ein glorreiches Beispiel 
ist es, das der Herzog von Wolfenbüttel und sein geist¬ 
licher Beirat, Herr Lambert von Balven, den andern 
Herren in deutschen Landen geben. Wenn nur überall 
mit demselben Eifer gearbeitet würde an der Unterdrückung 
der Ketzerei, so würden bald die letzten Anhänger der 
Wittenberger aus dem Reiche verschwunden sein. Die 
heilige Jungfrau segne die Arbeit der frommen Männer, 
die ich fast beneiden möchte, daß es ihnen vergönnt ist, 
im Kampfe für die heilige Kirche zu stehen. Mir ist ein 
solcher Kampf erspart; bis jetzt hat es kein Jrrlehrer ge¬ 
wagt, in den Sprengel des heiligen Vitus einzudringen, 
um den Samen der Häresie auszustreuen." 
Prinz Julius stand wie auf Kohlen bei diesen Lobes¬ 
erhebungen des Abtes von Korvey. Wie gern hätte er 
ihm zugerufen: „Halt ein, halt ein mit Deinen Worten; 
Du weißt nicht, daß der, den Du jetzt vor Dir siehst und 
den Du für einen Bundesgenossen hälft, selbst sich der 
Ketzerei schuldig gemacht hat!" Aber die Klugheit gebot 
ihm zu schweigen. Doch war es ihm unter solchen Um¬ 
ständen unmöglich, der Einladung des Abtes, die Nacht 
in Korvey zu bleiben und die Gastfreundschaft des Klosters 
zu genießen, Folge zu leisten. „Laßt mich ziehen, hoch¬ 
würdiger Herr", bat er. „Noch ist es früh am Nach¬ 
mittage, und es gelingt mir noch wohl, heute bis nach 
Amelunxborn zu kommen. Abt Andreas ist mir befreundet, 
und er würde es mir nicht verzeihen, wenn ich vorbei¬ 
ritte, ohne ihn in seinem Kloster zu begrüßen. Bei ihm 
will ich, will's Gott, die Nacht zubringen und morgen in 
der Frühe weiter reisen." Und nach kurzen Abschieds¬ 
worten ritt Julius, vom Abt selber bis au die Kloster- 
psorte geleitet, mit seinem Diener fort, überschritt bald 
bei Holzminden die Weser und trat nun ein in das Ge¬ 
biet des Herzogtums Brauuschweig-Wolfenbüttel.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.