Full text: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

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seine Anfrage in der Herberge erfuhr, daß das Ziel seiner 
Reise nicht mehr fern sei, gönnte er sich auch nur eine 
kurze Rast, und bald ritt er aus dem andern Thore der 
Stadt dem Kloster Wienhausen zu. 
Auf einem Wiesenplane hart an der Aller liegt noch 
heute dieses Kloster, eine „fromme Stiftung eines Fürsten 
aus bem erlauchten Hause der Welfen. Von tiefen 
Gräben, bie ihr Wasser aus bem Allerflusse zugeführt 
erhalten, ist es umgeben, unb über bieselben führt eine 
Zugbrücke auf ben Klosterhof. Ein gothisches Kirchlein 
mit bunten Glasfenstern unb kunstvoller Malerei geziert, 
stößt an bte Zellen ber frommen Cistercienserinnen, Rosen 
unb Geisblatt ranken an ben Wänben unb schauen oft 
neugierig zu ben kleinen Fenstern herein, als wollten sie 
nachsehen, ob bie frommen Schwestern ihrer Pflicht auch 
orbentlich genügen. Im Klostergarten aber ertönte zu 
Zeiten ein fröhliches Lachen unb heiteres Singen, bas 
nur schlecht zu ber ernsten Umgebung zu passen schien; 
bas waren bie Kostschülerinnen, bie von der gelehrten 
Aebtissin eingeführt wurden in alle Zweige der weiblichen 
Bildung. _ Nicht abhold war die hohe Frau jugendlicher 
Fröhlichkeit, und sie übersah und überhörte es gern ein¬ 
mal, wenn die Edelfräulein im heiteren Spiele durch den 
Garten jagten und gleich bunten Sommervögeln um die 
Blumenbeete tanzten. Unter ihnen befand sich jetzt auch 
die junge Gräfin Katharina von Spiegelberg. Die Tren¬ 
nung von der Heimat und von dem Freunde ihrer Ju¬ 
gend war ihr schwer geworden, und nur dem bestimmt 
ausgesprochenen Willen des Vaters sich fügend war sie 
ihm gefolgt in das ferne Kloster. Aber ihre Gedanken 
weilten Tag und Nacht bei dem stattlichen Ritter, dem 
sie ihr Herz geschenkt, und als nun der Brud'er aus dem 
Michaeliskloster in Wienhausen vorsprach, da war sie 
schnell entschlossen, ihm ein Brieflein mitzugeben an den 
jungen Grafen, in dem sie ihm ihren Aufenthaltsort ver¬ 
riet und ihn bat, zu kommen und sie aus ihrer Kloster¬ 
haft zu befreien. Und deshalb hatte sich Heinrich von 
Homburg sofort auf ben Weg gemacht; denn der Wunsch 
Tie mann, Der Abt von Amelunxborn. 6
	        
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