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Montag, den 7. September, vor Gagesgrauen machte ich mich
also auf den weg, mich immer in gerader Linie haltend, nie der
Straße entlang, sondern durch §eld und Sumpf, bis ich die Lahn¬
linie erreichte. Nun ging’s der Bahn entlang bis nach Korczow
und von da durch den Wald nach Gvnow. vor Gvnow lagen am
Straßenrand etwa 50 Juden, die aus der Stadt gefluchtet waren
und hier vor dem Schrapnellfeuer Deckung suchten, wenn nun
aber ein Schrapnell bei der Straße niederging, sprangen sie auf
und gingen einer hinter dem andern davon in gebückter Stellung.
Da glaubten die Russen eine Schwarmlinie österreichischer Truppen
vor sich zu haben, und nun prasselte Schrapnell auf Schrapnell auf
die Straße nieder. Einem alten Juden wurde ein Arm und einem
zehn Jahre alten Knaben durch ein Splitterstück der Unterkiefer
fast ganz weggerissen, Auf Anraten von Zivilisten ging ich wieder
zurück nach Korczow mit dem Gedanken, dort zu warten, bis die
Unfrigen wiederkommen würden. Denn bis jetzt waren doch immer
wir vorgerückt; warum sollten also unsere Truppen nicht zurück»
kehren? Dort angelangt, winkten mir schon alle Leute zu, zu
fliehen, natürlich mußte ich umkehren, denn es mußte doch den Russen
auffallen, wenn mir alles zuwinkte. Schnell floh ich in eine
Scheune und grub mich dort tief ins Heu ein. Da hörte ich auch
schon Pferdegetrampel vor der Scheune und Stimmen. (Es waren
sechs Kosaken. Sie stiegen ab, warfen ihre Lanzen in die Scheune
und kamen hinein aufs Heu, indem sie mir auf dem Gesichte
herumtrampelten. Sie nahmen £)eu, trugen es ihren Pferden hin¬
aus, und nachdem diese es gefressen hatten, stiegen sie wieder auf
und ritten davon. Ich war ganz sprachlos, daß diese Gefahr so
an mir vorbeiging, denn schon glaubte ich, daß meine letzte Stunde
geschlagen hätte. (Eine Stunde später wagte ich mich hinaus; aber
da kam schon wieder ein ganzes Regiment Russen daher. Nun
floh ich in den nahen Sumpf und versteckte mich dort im Schilfe,
bis der Abend kam. Als es dunkel geworden war, ging ich bis
Strje. hier gab es viel Sumpfland, und wer die Stege nicht kennt,
kommt schwerlich durch. Nun hatte aber die Bevölkerung, die
auch geflohen war, die Stege abgebrochen, und so versuchte ich
denn halbnackt hindurchzuwaten. (Es gelang, und so versteckte ich
mich denn in einem Strohhaufen bis zum 21. September, also un¬
gefähr 14 Tage; es war aber höchst ungesund, immer im Wasser
zu sein. Gute Leute, die in der Nähe waren, brachten mir täglich
ItUlch und Brot in mein versteck.