Contents: Deutsches Lesebuch für die mittleren Klassen von Gymnasien und Realschulen

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35. Ein Streich Cromwells. 
Handwerkszeug bei sich habe, führte ihn auf seine bejahende Ant¬ 
wort weiter durch ein Labyrinth von krummen, öden Gäßchen und 
blieb endlich vor der Thür eines großen Gartens stehen. 
„Hier trennen wir uns," sagte der Unbekannte. „Thue genau, 
was ich Dir sage, und Dein Glück ist gemacht. Du öffnest diese 
Thür, trittst in den Baumgang linker Hand und gehst darin fort, 
bis Du ein Gartenhäuschen antriffst. Du öffnest die Thür des¬ 
selben und nimmst Dich wohl in Acht, daß Du das Schloß nicht 
beschädigst. Du gehst hinein, legst diesen Brief auf das Sofa, 
schließest wieder sorgfältig zu und eilst nach Deiner Wohnung zu- 
rück, wo Du mich finden wirst. Begegnen wird Dir wohl nie¬ 
mand; sollte Dir wider Verhoffen jemand aufstoßen, so sagst Du 
auf Befragen, Du seist ein Diener von Don Luis de Haro. Daß 
Du aber ja in dem Gartenhause nichts anrührst. Solltest Du ein 
Gelüste dazu nicht unterdrücken können, so mache Dich auf den 
Galgen gefaßt." 
Der Gauner befolgte pünktlich diese Weisungen und kam un¬ 
bemerkt wieder aus dem Garten. Etwa eine Stunde später 
schlenderte Philipp IV. durch den Baumgang nach dem Häuschen, 
wo er mit seinem Minister Ludwig von Haro vertrauliche Be¬ 
sprechungen zu halten pflegte. Dem Diener, welcher ihn begleitete, 
gebot der König beim Eintritte in das Häuschen, den Minister 
zu rufen. Der Diener richtete seinen Auftrag aus, der Minister 
eilte lnit ihm in den Garten, fand aber zu seinem Erstaunen den 
König nicht in dem Häuschen. Don Louis eilte in den Palast 
und traf im Zimmer des Königs den Leibarzt, der ihm erklärte, 
Se. Majestät habe über heftiges Kopfweh geklagt und sich zu Bette 
begeben. 
Als erster Minister konnte Don Luis keinen Tag vergehen 
lassen, ohne den König zu sehen. Er erschien demnach am folgen¬ 
den Morg-en im Schlafzimmer des Königs und begann: „Die Un¬ 
päßlichkeit Ew. Majestät-" 
„Hat keinen andern Grund," unterbrach ihn Philipp, „als 
Eure geringe Sorgfalt in Verbergung von Briefschaften, die nickst 
dazu gemacht sind, um auf Sofas herumzuliegen." 
Don Luis erklärte sich unfähig, die Anspielungen des Bko¬ 
narchen zu verstehen. 
„Ihr fragt, von welchen Briefen ich rede? Habt Ihr diesen 
da vergessen?" 
Der Minister las den ihm vom Könige überreichten Brief, der 
so lautete:
	        
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