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sonst eine brave Klasse. Diese Nachricht aber wirkte ans uns, wie wenn 
ein Funke in ein Pulverfaß fällt, nnd in der folgenden Horazstunde hatte 
der Professor schwere Not, uns zu bändigen, denn unsere Gedanken waren 
jetzt ganz wo anders, als bei den alten Römern. Kaum war die Stunde 
ans, als wir an die Kaserne stürmten, um zu sehen, ob das Gerücht wahr 
sei. Hier ging es schon zu wie in einem Ameisenhaufen: Offiziere 
schritten eilig ab und zu, Soldaten liefen geschäftig aus und ein und als 
wir einen frugen, ob es wahr sei, daß cs Krieg gebe, antwortete er freudig 
und stolz: „Ja, wir wollen die Franzosen verhauen." 
Jetzt wußten wir's. Auch erfuhren wir, daß das Regiment Befehl 
hatte, noch in der Nacht vom 15. zum 16. Juli in mehreren Sonder- 
zügeu nach Rastatt zu fahreu. Demi in dortiger Gegend und bei Karls¬ 
ruhe sollten die badischen Regimenter versammelt werden. Halb Freiburg 
war auf dem Bahnhof, um seinen „Fünfern" das Geleit zu geben. In 
die allgemeine Begeisterung und iu die stolze Freude der Soldaten, für 
ihr Vaterland kämpfen zu dürfen, mischte sich auch manche Abschiedsträne. 
Mit dein Trostworte des alten Soldatenliedes „Fredericus Rex" wurde 
sie getrocknet: „Eine jede Kugel die trifft ja nicht; 
Denn träfe jede Kugel apart ihren Mann, 
Wo kriegten die Könige ihre Soldaten dann! 
Die Mnsketenkngel macht ein kleines Loch, 
Die Kanonenkugel ein weit größeres noch! 
Die Kugeln find alle von Eisen und Blei 
Und manche Kugel geht manchem vorbei." 
Jetzt war das Regiment fort und Freiburg vou Truppeu entblößt. 
Es wurde deshalb beschlossen, eine Bürgerwehr zu gründen. Auch die 
Schüler der oberen Klassen durften sich dazu melden, was wir uns nicht 
zweimal sagen ließen. Im Kaufhaus befand sich die Hauptwache; bewaffnet 
wurden wir mit einem Totschläger und trugen als Abzeichen eine weiße 
Binde am linken Oberarm. So mußten wir die Umgebung von Freiburg 
bei Nacht abpatrouillieren. 
Unsere Bürgerwehr war nicht zur Abwehr französischen Militärs 
bestimmt, denn gegen Säbel, Gewehr und Kanonen hätten wir trotz unseres 
Löwenmutes mit den Totschlägern wohl kaum etwas ausgerichtet; vielmehr 
sollte sie nur ein Schutz sein gegen etwaige Unternehmungen ungeregelter 
Banden, die vielleicht die verlockende Gelegenheit benützen wollten zum 
Einfall in das zur Zeit vou Truppeu völlig entblößte badische Oberland. 
Übrigens haben wir auf unfern Patrouillengängen nie einen Franzosen 
zu sehen bekommen, unb es fanden auch keine feindlichen Einfälle statt. 
Schon nach kurzer Zeit rückte wieder Militär, wenn auch nur vor¬ 
übergehend, in Freiburg ein. Es war dies eine Abteilung Württembergs, 
bestehend aus einem Regiment Infanterie, mehreren Eskadrons Dragonern 
und einigen Batterien unter dem Kommando des Württembergischen 
Obersten Senbert
	        
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