— 129 —
sind und seinen kleinen Staat erbarmungslos zermalmen;
warten, bis man ihn wie ein Wild im Gehege umstellt
hat. Soll er das Unglück ohne den geringsten Wider¬
stand über sich ergehen lassen, dem Raube seines Landes,
ja seinem gänzlichen Untergange gelassen zusehen?
Nein. Das konnte er noch weniger. „Die Stellung,
die Gott ihm verliehen, legte ihm die heilige Verpflich¬
tung auf, ja, zwang ihn sozusagen mit Gewalt dazu,
alle nur ersinnlichen Mittel zu seiner Verteidigung und
zur Erhaltung seiner Lande ohne Zeitverlust zu ergreifen.“
Also — den Krieg!
Aber er wollte ja den Frieden, sein Land bedurfte
der Ruhe — gleichviel — Friedrich der Große mußte,
die Notwendigkeit zwang ihn dazu, sich zur Wehr zu
setzen, er mußte zur Notwehr greifen. Seine königliche
Stellung legte ihm die Verpflichtung auf, die Handlungs¬
weise seiner Feinde gab ihm das Recht dazu.
„Das ganze Komplott des Frevels ist entdeckt und
aufgeklärt", schreibt er an seine Schwester. „Jetzt be¬
trachte ich den Krieg als unvermeidlich.“
Er will den Angriff wagen, weil alles auf dem Spiele
steht, um alles zu gewinnen oder alles zu verlieren —
er läßt den Feinden den Schein des Rechtes, er will sich
nur sein gutes Recht verschaffen.
Er muß den Krieg beginnen, damit die Feinde sich
nicht vereinigen können; getrennt, einzeln, kann er ihnen
vielleicht noch begegnen, sind sie vereint, so muß er
ihnen unterliegen, so ist er rettungslos verloren.
Da erhebt sich für ihn die Frage — soll er zu¬
erst gegen Rußland oder gegen Österreich zu
Felde ziehen? Soll er sein Heer teilen und beide zu¬
gleich bekämpfen ? (Erwägung dieser Frage, Schwierigkeit.)
9