98
bedeutende Machtvergrößerung Rußlands mußte aber den Nachbarn des¬
selben, Oesterreich und Preußen, bedenklich erscheinen, und Friedrich
der Große und Joseph II. von Oesterreich, der Sohn Maria Theresia's
und Bewunderer Friedrich's, gelobten sich auf zwei Zusammenkünften zu
Neiße und zu Neustadt in Mähren (1769), etwaigen Machtüber-
griffen Rußlands vereint gegenüber zu treten. Prinz Heinrich von
Preußen wurde deshalb nach Petersburg gesandt, und die Folge davon
war die Vereinigung der drei Mächte, eine gemeinschaftliche Verkleinerung
Polens herbeizuführen. Polen war diesem Beschluß gegenüber machtlos.
Bei dieser ersten Theilung Polens 1772 erhielt Friedrich der Große
West Preußen außer Danzig und Thorn, den Netzedistrict
und Ermeland (645 DM.); Oesterreich erhielt Galizien und Ru߬
land Lithauen. Nach 300jähriger Fremdherrschaft war Westpreußen dem
deutschen Laude wiedergewonnen, und Friedrich versäumte keinen Augen¬
blick, das verkommene Land seinen übrigen Provinzen gleich zu machen.
Er verbesserte das Schulwesen und die Verwaltung, führte eine strenge
Rechtspflege ein und belebte den Handel. Im Jahre 1773 ließ er den
Bromberger Kanal graben, der die Netze mit der Oder und Elbe
verbindet, und machte die Warthe- und Netzebrüche urbar.
2. Auch im deutschen Reiche brachte Friedrich sein Ansehen zur
Geltung. Durch die Erfolge des siebenjährigen Krieges hatte er ge¬
wissermaßen die Oberherrschaft in Deutschland erlangt, und er duldete
nicht, daß sein Gegner, Oesterreich, wieder die alte Machtstellung ein¬
nähme. Kaiser Joseph II. beabsichtigte, durch den Besitz Bayerns sich für
Schlesiens Verlust zu entschädigen. Als nämlich in Bayern die bayrische
Linie des Wittelsbach'scheu Hauses im December 1777 ausgestorben war,
bewog Joseph II. den Erben Karl Theodor von Pfalz-Snlzbach, auf die
Erbschaft von Bayern zu Gunsten Oesterreichs zu verzichten. Aber
Friedrich der Gr. schloß mit dem künftigen Nachfolger Karl Theodor's,
dem Herzog Karl von Pfalz-Zweibrücken, ein Bündnis und rückte, als
man in Wien seinen Vorstellungen kein Gehör schenkte, in Böhmen kriegs¬
bereit ein. Es kam zu keiner Schlacht; beide Theile trugen Bedenken,
die Schrecken des siebenjährigen Krieges zu erneuern. Joseph II. gab
nach, und der Friede zu Teschen (1779), in welchem Bayern mit
Ausnahme eines Grenzstriches zwischen Inn, Donau und Salza von
Oesterreich wieder herausgegeben wurde, beendete den bayrischen Erb¬
folgekrieg (1778—1779), den der König spottweise den Kartoffel¬
krieg nannte.
3. Späterhin versuchte Joseph II. noch einmal eine Abrundung
seines Gebietes herbeizuführen. Im Einverständnis mit Rußland und
Frankreich bot er dem Kurfürsten Karl Theodor von Bayern den Tausch
seines Landes gegen die österreichischen Niederlande an. Friedrich ver¬
eitelte aber seine Absichten dadurch, daß er fast alle deutschen Fürsten
veranlaßte, sich mit ihm zu einem Bunde, dem „deutschen Fürstenbunde",
zu vereinigen (1785). In dem Entwurf des Fürstenbundes hieß es:
„Wenn jemand, wer es auch sei, die verbündeten Fürsten oder auch jedes
andere Mitglied des Reichs in seinem Besitzstand mit eigenmächtigen An¬
sprüchen beunruhigen und die Uebermacht dazu mißbrauchen wollte, so