Full text: Preußens Geschichte in Wort und Bild

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bedeutende Machtvergrößerung Rußlands mußte aber den Nachbarn des¬ 
selben, Oesterreich und Preußen, bedenklich erscheinen, und Friedrich 
der Große und Joseph II. von Oesterreich, der Sohn Maria Theresia's 
und Bewunderer Friedrich's, gelobten sich auf zwei Zusammenkünften zu 
Neiße und zu Neustadt in Mähren (1769), etwaigen Machtüber- 
griffen Rußlands vereint gegenüber zu treten. Prinz Heinrich von 
Preußen wurde deshalb nach Petersburg gesandt, und die Folge davon 
war die Vereinigung der drei Mächte, eine gemeinschaftliche Verkleinerung 
Polens herbeizuführen. Polen war diesem Beschluß gegenüber machtlos. 
Bei dieser ersten Theilung Polens 1772 erhielt Friedrich der Große 
West Preußen außer Danzig und Thorn, den Netzedistrict 
und Ermeland (645 DM.); Oesterreich erhielt Galizien und Ru߬ 
land Lithauen. Nach 300jähriger Fremdherrschaft war Westpreußen dem 
deutschen Laude wiedergewonnen, und Friedrich versäumte keinen Augen¬ 
blick, das verkommene Land seinen übrigen Provinzen gleich zu machen. 
Er verbesserte das Schulwesen und die Verwaltung, führte eine strenge 
Rechtspflege ein und belebte den Handel. Im Jahre 1773 ließ er den 
Bromberger Kanal graben, der die Netze mit der Oder und Elbe 
verbindet, und machte die Warthe- und Netzebrüche urbar. 
2. Auch im deutschen Reiche brachte Friedrich sein Ansehen zur 
Geltung. Durch die Erfolge des siebenjährigen Krieges hatte er ge¬ 
wissermaßen die Oberherrschaft in Deutschland erlangt, und er duldete 
nicht, daß sein Gegner, Oesterreich, wieder die alte Machtstellung ein¬ 
nähme. Kaiser Joseph II. beabsichtigte, durch den Besitz Bayerns sich für 
Schlesiens Verlust zu entschädigen. Als nämlich in Bayern die bayrische 
Linie des Wittelsbach'scheu Hauses im December 1777 ausgestorben war, 
bewog Joseph II. den Erben Karl Theodor von Pfalz-Snlzbach, auf die 
Erbschaft von Bayern zu Gunsten Oesterreichs zu verzichten. Aber 
Friedrich der Gr. schloß mit dem künftigen Nachfolger Karl Theodor's, 
dem Herzog Karl von Pfalz-Zweibrücken, ein Bündnis und rückte, als 
man in Wien seinen Vorstellungen kein Gehör schenkte, in Böhmen kriegs¬ 
bereit ein. Es kam zu keiner Schlacht; beide Theile trugen Bedenken, 
die Schrecken des siebenjährigen Krieges zu erneuern. Joseph II. gab 
nach, und der Friede zu Teschen (1779), in welchem Bayern mit 
Ausnahme eines Grenzstriches zwischen Inn, Donau und Salza von 
Oesterreich wieder herausgegeben wurde, beendete den bayrischen Erb¬ 
folgekrieg (1778—1779), den der König spottweise den Kartoffel¬ 
krieg nannte. 
3. Späterhin versuchte Joseph II. noch einmal eine Abrundung 
seines Gebietes herbeizuführen. Im Einverständnis mit Rußland und 
Frankreich bot er dem Kurfürsten Karl Theodor von Bayern den Tausch 
seines Landes gegen die österreichischen Niederlande an. Friedrich ver¬ 
eitelte aber seine Absichten dadurch, daß er fast alle deutschen Fürsten 
veranlaßte, sich mit ihm zu einem Bunde, dem „deutschen Fürstenbunde", 
zu vereinigen (1785). In dem Entwurf des Fürstenbundes hieß es: 
„Wenn jemand, wer es auch sei, die verbündeten Fürsten oder auch jedes 
andere Mitglied des Reichs in seinem Besitzstand mit eigenmächtigen An¬ 
sprüchen beunruhigen und die Uebermacht dazu mißbrauchen wollte, so
	        
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