Full text: Der Große Kurfürst - Friedrich der Große (Bd. 1)

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guter Art, ohne die feinen Formen, welche ans Frankreich importiert worden 
waren: starke und streng geregelte Arbeit, gesunder Appetit, der keines fran¬ 
zösischen Kochs bedarf; einfache, in den ersten Jahren nach seinem Regierungs¬ 
antritt bürgerliche Kleidung, später die Uniform eines Obersten der Potsdamer 
Garde; gelegentliche Erholung die Jagd. Charakteristisch für ihn ist ein fast 
pedantischer Reinlichkeitssinn: er duldet feinen Staub und darum keinen Teppich 
in seinem Zimmer und die Möbel müssen von Holz sein: er wascht sich fünfmal 
am Tage „wie ein Muselmann". Für seine tägliche Ausspannung hatte er sich, 
wie andere deutsche Fürsten, eine Magie, ein T a b a ks k o l l e g i n m einge¬ 
richtet, das im Sommer zu Potsdam oder Wusterhausen, bei gutem Wetter 
auch im Freien unter einem Zelte, gehalten wird und alle die einfachen Züge 
zeigt, welche die Abenderholung des deutschen Philisters damals und heute an 
steh trägt: ausschließlich männliche Gesellschaft, Tabak, damals ans langen hol¬ 
ländischen Pfeifen geraucht, und Bier: auf Nebentifchen, wer zugreifen will. 
Butterbrot mit kaltem Aufschnitt. Die Gesellschaft bildeten einige hohe Beamte. 
Generale, gelegentlich durchreisende namhafte Fremde; der eine oder der andere 
der Gesandten, wie der österreichische Seckendorf, der diese Gunst wohl zu ver¬ 
werten wußte, und auch eine komische Figur, ein Mann, an dem die Gesell¬ 
schaft und insbesondere der König selbst seinen derben Witz nusläßt, darf nicht 
fehlen. Dies war ein halbverkommener Gelehrter und Litterat, Jakob Paul 
Gundling, den General Grnmbkow für den König aufgestöbert hatte, und der 
sich diese Rolle gefallen ließ, bei welcher er seinen unversiegbaren Durst auf 
bequeme, wenn auch auf etwas niederträchtige Weife löschen konnte. Im übrigen 
war die Unterhaltung ernst genug, und diesem König, Friedrich Wilhelm, leistete 
dieses Tabakskollegium mehr als andern Fürsten: man legte hier das Cere- 
moniell beiseite und sprach und hörte zu mit derjenigen Freiheit und Unbe¬ 
fangenheit, welche der König eines großen Landes sich auf keine andere Weise 
kaufen kann. Die Litteratur spielte bei diesen Unterhaltungen keine Rolle, 
mit Ausnahme der Zeitungen, welche aushalfen, wo einmal kein Gespräch ge¬ 
deihen wollte. 
Friedrich Wilhelm war ein guter Hansvater, streng und ehrbar, und nahm 
hier wie überall seine Pflichten ernst. Auch mit der Religion nahm er es ernst: 
und in diesem Sinne sollte auch die Erziehung seiner Kinder geleitet werden, 
wobei dann freilich irgendwie zur Geltung kommen mußte, daß die Königin 
Sophie Dorothea, mit der er im übrigen glücklich lebte, seine eng begrenzten 
Gesichtspunkte nicht teilte. Am 24. Januar 1712 zu Berlin war ihm, dem 
Kronprinzen, wieder ein Sohn geboren, der — der Kaiser Karl selbst war 
unter den Taufpaten -— den Namen Friedrich erhielt; zwei Knaben, die ihm 
vorausgegangen, waren gestorben. Mit der ersten Pflege war eine französische 
Protestantin betraut, was die Folge hatte, das; der Prinz nur Bedienten- oder 
Soldatendeutsch in seiner Kindheit lernte; im siebenten Jahre erhielt er einen 
Oberhosmeister, General Finkenstein, einen tadellos rechtschaffenen Mann, und
	        
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