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neuen wie unter dem alten König durchzufühlen. Aber doch glich die neue
Regierung der alten nicht; ihre Haltung war freier, geistiger und trug in
allem Einzelnen ein edleres, humaneres Gepräge. Ten Generalen empfahl dev
König Milde gegen die Untergebenen, den Ministern genaue Wahrung des
Landesintereffes, dem fortan das des Fürsten nicht mehr entgegenstehen diirfer
den Sekten verhieß er Duldung, der Presse ließ er einen freieren Spielraum,
die Rechtspflege sollte unabhängig fein, aus dem Strafprozeß begann die Folter
zu verschwinden. Das Heer wurde gemehrt, aber auch drohender materieller
Not gesteuert, die friedlichen Künste des Gewerbfleißes, der Wissenschaft und der
Kunst nicht vernachlässigt. So waren die ersten Anfänge der neuen Regierung.
Darum empfing ihn nicht etwa nur der geläufige Jubel, der von dem Reize
des Neuen bestimmt jede junge Regierung begrüßt; es ging vielmehr eine Ah¬
nung durch die Gemüter, daß das Erbe au Wohlstand und kriegerischer Macht,
wie es der Vater hinterlassen, hier auf einen Fürsten übertragen ward, der die
Kraft und den Ehrgeiz befaß, dies Überlieferte in großer und eigentümlicher
Art zu erweitern. Denn zu der sparsamen und strengen Art kam hier die
schöpferische Kraft eines überlegenen Geistes, der 'das Ererbte nicht nur nützte
und mehrte, sondern ihm mit genialer Eigentümlichkeit eine neue, ungewohnte
Bedeutung verlieh. £hne das Pedantische und Bizarre des Vaters und doch
wieder an schlichter, kerniger Manneskraft ihm ähnlich, zeigte sich der neue
Monarch gleich anfangs dazu berufen, nicht allein die überlieferte Macht zu
erweitern, sondern auch den Gedanken und Jdeeeu einer Zeit, deren Kind er
war, eine Geltung zu schaffen, die weit über den begrenzten Raum des preußi¬
schen Staates hinausging. Fünf Monate, nachdem er den Thron bestiegen,
starb Kaiser Karl VI. und feine Tochter Maria Theresia trat laut der prag¬
matischen Sanktion in den österreichischen Erblanden ihre Regierung an. Preußen
war jedoch nicht an die pragmatische Sanktion gebunden, da der Kaiser die
Bedingung, an welche Friedrich Wilhelm I. seine Anerkennung derselben ge¬
knüpft. nicht gehalten hatte. So bot sich jetzt Friedrich dem Großen die Ge¬
legenheit, seinem Staate den Zuwachs an Macht und Ansehen zu erwerben,
dessen die Königswürde von 1701 bedurfte, aber noch nicht besaß. Indem er
sich gegen die habsburgische Hausmacht erhob, mit Frankreich verband und in
Karl VII. ein Kaisertum schaffen half, das ohne Gefahr für ihn selber war,
förderte er die schon weit vorgeschrittene Auslösung der Formen des Reiches
und schuf dem preußischen Staate jene europäische Stellung, zu welcher einst
der Große Kurfürst den Grund gelegt und zu deren Ausbau dessen beide Nach¬
folger die Mittel vorbereitet hatten.
Für die deutschen Dinge war damit eine neue Epoche eingebrochen.