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2. Der erste schlesische Krieg.
Ctto Kämmel, Geschichte der neueren Zeit. 2. Band. Leipzig 1883.
Am 13. Dezember 1740 nachts verließ der König Berlin während eines
fröhlichen Maskenballes im Schlosse und eilte nach dem Hauptquartier zu
Crossen; am 16. Dezember rückten etwa 27 000 Mann Preußen mit 86 Ge¬
schützen in zwei Kolonnen in Schlesien ein, rechts der Oder der König, links des
Stromes Schwerin. Ein Manifest erklärte die Absicht, Schlesien gegen jeden
Angriff zu schützen und für Maria Theresia einzutreten; zugleich sicherte es den
Einwohnern volle Religionsfreiheit und strengste Mannszucht der Truppen zu.
— Das Land war gegen einen Einfall nicht gerüstet, von den Festungen nur
Breslau und Neiße leidlich imstande, Glogau und Glatz verfallen, die Truppen-
zahl, die man vrst gegen Ende November um ein paar Regimenter verstärkt
hatte, nicht größer als 7000 Mann. Trotzdem war die österreichische Regierung
so unverantwortlich gutmütig, selbst die Hauptstadt mit einer Besatzung zu ver¬
schonen, da diese sich aus ihr ehrwürdiges Recht berief, sich selber zu verteidigen.
Die Verwaltung zeigte sich überhaupt schlaff und unsicher; von den 21/2 Mill.
Gulden, welche Schlesien eintragen sollte, ging wenig wirklich ein. Aber viel
wichtiger als alles dies war die Stimmung der noch überwiegend protestanti¬
schen Bevölkerung. Erst Karls XII. drohende Haltung hatte ihr eine bessere
Sicherung ihrer Rechte errungen, doch noch immer befand sie sich in überaus
gedrückter Lage. Während die Evangelischen ihre Kirchen gerate verpfänden
mußten, durchzogen die katholischen Prozessionen in allein Pomp die Straßen
von Breslau. Ja die katholischen Eiferer ließen bei Maria Theresias Thron¬
besteigung drohend vernehmen, man werde sich nun um keinerlei Verträge küm¬
mern, sonder» die römische Kirche zur alleinherrschenden machen. Als öster¬
reichische Truppen nach Glogau marschierten, fürchteten deshalb die geängsteten
Protestanten, es werde jetzt am dritten Adventsonntage (11. Dezember) die ge¬
waltsame Gegenreformation abermals beginnen. Da flog wenige Tage später
die Kunde durch das Land, daß König Friedrichs Bataillone im Anmarsch seien.
Der Eindruck war ungeheuer. Die Evangelischen begrüßten den König nicht
wie einen Feind, sondern als Befreier, als Schutzengel. Wo seine Truppen
sich zeigten, sahen sie sich mit offenen Armen aufgenommen; die evangelischen
Ratsherren traten wieder in die ihnen entrissenen Stellen, der protestantische
Gottesdienst wurde erneuert, die Heiligenbilder beseitigt; zahlreiche junge Geist¬
liche ans Preußen nahmen sich der verwaisten Gemeinden an. Wer das sah,
dem erschien das Ganze nicht als eine Eroberung, sondern als eine Befreiung,
und in der That beruhte die Erwerbung Schlesiens fast eben fo sehr auf dem
Abfall der Protestanten, wie auf einer militärischen Besitzergreifung.
Jndeni Friedrich Glogau, wo Wallis befehligte, vorläufig nur einschloß,
ging er selber geradeswegs auf Breslau los. Schon am 31. Dezember er-
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