Full text: Der Große Kurfürst - Friedrich der Große (Bd. 1)

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Stand zurückzuführen sei, und die Niederwerfung Preußens blieb ihre „Funda¬ 
mentalmaxime", die sie nunmehr ins Leben zu setzen fnchte. Gerade dies war 
aber auch der alleinige Zweck der österreichischen Bemühungen in Versailles, 
nnd um die drei großen Mächte des Festlandes gegen Preußen ins Feld zu 
bringen, bot man mit Belgien dort eine Lockspeise an, der auch die Geguer 
Österreichs im französischen Ministerrat nicht widerstehen konnten. Friedrich 
wußte wohl, welche Geschicklichkeit Maria Theresia und Kaunitz, wie der öster¬ 
reichische Gesandte Starhemberg in Paris anwandten, wußte, wie groß die 
Neigung Ludwigs und seiner Geliebten, der Madame de Pompadour, war, 
gegen ihn zu marschieren. Er wußte sogar, daß man einen so langjährigen 
Bundesgenossen wie ihn platt fallen gelassen, daß am 1. Mai wirklich der Ver¬ 
trag zu Versailles zwischen Österreich und Frankreich geschlossen war. Aber 
weder sonnte er das ungemessene Ziel, das mit diesem erstrebt ward, noch ahnte 
er, daß der Grundgedanke der Westminster-Konvention, England vermöge die 
Russen an einem Angriff auf Preußen zu hindern nnd halte sie in voller 
finanzieller Abhängigkeit, völlig durchlöchert sei. Kaunitz hatte es zuwege ge¬ 
bracht, französische Hilfsgelder für Rußland zu gewinnen und England damit 
in Petersburg völlig aus dem Sattel zu heben. König Georg hatte dem preußi¬ 
schen Verbündeten, der keinen Gesandten am Petersburger Hofe hatte, dies ab¬ 
sichtlich verschwiegen, während Friedrich ihm, der wieder in Versailles keinen 
Gesandten hatte, jede Mitteilung über die dortigen Vorgänge machte. Erst im 
Juni erfährt Friedrich die volle Gewißheit von dem unumstößlich feststehenden 
Willen des Petersburger Kabinetts, ihn bei der ersten besten Gelegenheit „ohne 
weitere Diskussion zu attaquieren". Aber um den Frieden zu ermöglichen, und 
ungeachtet der nun von verschiedenen Seiten her einlaufenden Nachrichten über 
die umfassenden russischen wie österreichischen Rüstungen gegen Preußen, stellt 
er die in Pommern und Preußen allein gegen Rußland betriebenen Gegen¬ 
maßregeln sofort ein, als bie russischen Rüstungen Halt machen. Denn im 
Rückzug der Russen sieht er die Gewähr für den Frieden. Die absichtlich fal¬ 
schen Angaben des britischen Gesandten in Berlin, Sir Andrew Mitchell, ließen 
ihn Englands Einfluß in Petersburg überschätzen, und da der Wiener Hof, wie 
er meinte, nicht den Wunsch hegen könne, ans eigene Faust sein Vorhaben aus¬ 
zuführen, so glaubte er mit vollster Gewißheit an die Erhaltung des Friedens. 
Eitle Hoffnung! Vergebliches Wünschen! In Böhmen und Mähren wurden 
die umfassendsten Kriegsvorbereitungen getroffen und über jene geringfügigen 
Rüstungen Friedrichs gegen Rußland erlogene Nachrichten von Wien aus ver¬ 
breitet, als feien sie gegen 'Österreich gerichtet. Man ging, wie der preußische 
Gesandte in Wien meldete, daraus aus, „Friedrich als Angreifer erscheinen zu 
lassen." Mit dieser Fälschung glaubte man die Vorkehrungen zu decken, die 
man selbst traf, „um Rache zu nehmen für den Verlust unsers teuren Schle¬ 
siens," und am 16. Juli erfuhr der König, daß auch die Regimenter aus Un¬ 
garn auf dem Marsche nach Böhmen seien. Selbst diese Kunde, die er vor
	        
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