Metadata: Realienbuch für die Schulen des Großherzogtums Hessen

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Von der Elektricität. 
77. Magnetische Wirkungen des elektrischen Stromes. Elektro¬ 
magnetismus. 
Ablenkung der Magnetnadel. Als die Gelehrten anfingen, sich mit der Elek¬ 
tricität zu beschäftigen, siel ihnen bald die Ähnlichkeit zwischen Elektricität und Mag¬ 
netismus aus. Sie waren deshalb eifrig bemüht, der vermuteten Verwandtschaft beider 
auf den Grund zu kommen. Dies gelang im Jahr 1820 dem Dänen Orsted. Er 
führte den Strom eines Elements durch einen Draht über einer Magnetnadel hin. 
Da wurde die Nadel von ihrer Nordsüdrichtung abgelenkt. Führte er den Strom 
unter der Nadel hin, so wurde sie nach der entgegengesetzten Seite abgelenkt. Wech¬ 
selte er die Richtung des Stromes, so trat auch ein Wechsel in der Richtung der Ab¬ 
lenkung ein. Um die Richtung der Ablenkung jederzeit leicht bestimmen zu könneu, 
hat Ampère die Regel gegeben: Denkt man sich mit dem Strom schwimmend, 
das Gesicht der Nadel zugewendet, so wird der Nordpol nach der 
linken Seite abgelenkt. 
Die Wirkung des galvanischen Stromes auf die Magnetnadel wird verstärkt, 
wenn man den isolierten Leitungsdraht in vielen Windungen um die Magnetnadel führt. 
Eine derartige Vorrichtung heißt Multiplikator. Man kann durch denselben selbst 
ganz schwache Ströme nachweisen. Einen mit Zeigernadel und Gradeinteilung versehenen 
Multiplikator nennt man Galvanometer. 
Magnetisierung des Eisens durch den elektrischen Strom. Bald nach Orsteds 
Entdeckung wurde durch Arago eine weitere Beziehung zwischen Elektricität und 
Magnetismus nachgewiesen. Er hatte nämlich bemerkt, daß der geschlossene Leitungs¬ 
draht Eisenfeilspäne anzieht. Dadurch kam er auf den Gedanken, 
daß der galvanische Strom Magnetismus erzeugen könne. Dies 
läßt sich denn auch in einfacher Weise zeigen. — Leitet man den 
Strom des Elementes um ein hufeisenförmiges Stück Schmiedeeisen, 
das zu dem Zweck mit isoliertem Kupscrdraht umwickelt ist, so 
wird das Eisen magnetisch. Sobald der Strom unterbrochen wird, 
verschwindet sofort der Magnetismus. Weiches Eisen ist so 
lange magnetisch, als es vom elektrischen Strom um¬ 
flossen wird. Ein durch den galvanischen Strom 
magnetisch gemachter Eisenstab heißt Elektromagnet^ 
und der durch Galvanismus erzeugte Magnetismus 
wird Elektromagnetismus genannt. 
Während der elektrische Strom weiches Eisen nur vorübergehend magnetisch 
macht, ruft er im Stahl dauernden Magnetismus hervor. Darauf beruht die An¬ 
fertigung künstlicher Magnete, indem man Stahlstäbe längere Zeit vom elek¬ 
trischen Strom umkreisen läßt. Die Anziehungskraft der Elektromagnete übertrifft 
die der (dauernden) Stahlmagnete bedeutend. Sie wächst mit der Stärke des Stromes, 
der Zahl der Drahtwinduugen und der Dicke des Eisenstücks. Ein Elektromagnet 
von 8 kg Gewicht besitzt eine Tragkraft von über 1200 kg. 
Untersucht man mittels einer Magnetnadel die Pole eines Elektromagnet^ so 
zeigt sich folgendes Gesetz: Bei einem von links nach rechts gewundenen 
Draht liegt der Südpol an der Eintrittsstelle des galvanischen Stroms. 
Der Südpol liegt also an dem Ende, wo der elektrische Strom im Sinne des Uhr¬ 
zeigers kreist. Kehrt man die Richtung des Stromes um, so wird der frühere Südpol 
zum Nordpol und umgekehrt. An einem Elektromagnet lassen sich die Pole dadurch um¬ 
kehren, daß man die Richtung des Stromes umkehrt. Eine Vorrichtung, die dazu dient, 
die Richtung des Stromes umzukehren, heißt Stromwender oder Kommutator. 
Fig. 102. 
a Südpol, b Nordpol. 
7$. Bewegende Wirkungen des elektrischen Stromes. 
Anziehung und Abstoßung elektrischer Ströme. Beim Studium der Wirkungen 
des elektrischen Stromes kam Ampöre auf die Vermutung, daß auch zwei Ströme eine 
Wirkung aufeinander ausüben könnten. Die Richtigkeit dieser Vermutung wurde durch 
Versuche bestätigt. Hängt man zwei parallele Drähte so auf, daß sie sich nähern und 
voneinander entfernen können, so ziehen sich dieselben an oder stoßen sich ab, sobald
	        
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