Full text: Der Große Kurfürst - Friedrich der Große (Bd. 1)

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der Beaufsichtigung durch kurfürstliche Beamten unterworfen. Gewiß würden 
unsere Altvordern verwundert die Köpfe über manches schütteln; indessen wenn 
sie sehen könnten, wie die Städte Berlin und Cölln gewachsen sind, welche 
Ordnung herrscht, welche Bauten entstanden sind, wie sicher hinter ihren festen 
Wällen die Bürger wohnen, dann würden sie freudig gestehen, daß das Wirken 
der Hohenzollern, gegen die sie sich einst so gesträubt, trotz der Unterdrückung 
mancher Freiheit den Städten zum Segeu gereicht hat. Vieles ist auf dem 
Gebiete der Armen- und Polizeiverwaltung gebessert worden; allezeit war 
unser gnädiger Herr ein Förderer des Rechtes und der Ordnung auch in 
unserer Stadt. Handel und Wandel sind ausgeblüht; auf der Spree hat fich 
die Zahl der Kähne und Schiffe gemehrt, bereits find Posten nach Hamburg, 
Cleve, Breslau und Königsberg eingerichtet. Auch der Kunst und der Wissen¬ 
schaft ist manche Pflege zu teil geworden. Doch, edler Freund, das werdet 
Ihr alles noch mit eigenen Augen sehen können, wenn Ihr die Stadt durch¬ 
wandert." „Manches habe ich bereits staunend gesehen," erwiderte Fuchs dem 
Hausherrn. „Ant meisten hat mich die Befestigung und die Vergrößerung der 
Stadt gewundert. Wie find denn diese entstanden?" „Seit einigen Jahren 
erst," lautet die Antwort des Bürgermeisters, „ist die Befestigungslinie vollendet 
worden. Das prächtige Leipziger Thor war der Schluß derselben. Soldaten 
und Bürger haben manches Jahr geschanzt, seit der Kurfürst im Jahre 1658 
an dem Stralauer Thore den ersten Spatenstich gethan. Durch die neue 
Befestigung wurden auch Neu-Cölln und der Werder trocken gelegt. Bald ent¬ 
standen auch hier neue Bauten. Das Wirken des Kurfürsten für Staat und 
Stadt hat ber Residenz immer neue Kräfte zugeführt. Bereits umfassen die 
Befestigungslinien eine Bevölkerung von 21 000 Seelen. Durch bas Ebikt 
von Potsdam ist eine französische Gemeinde in unserer Stadt geschaffen worben; 
nußerbem Habens wir ans Hvllanb manchen Zuzug erhalten, darunter tüchtige 
Männer wie den Marinedirektor Raule, dessen Hos fich in der Leipzigerstraße 
jenseit des Schleuseugrabens erhebt. Durch die Fremden ist der Industrie 
und dem Gewerbe mancher neue Zweig hinzugefügt worden; die Seiden- und 
Wolleumanufaktur ist gehoben; die Gärtnerei blüht vor unseren Thoren; Hüte, 
Strümpfe, Goldsachen und Uhren werden jetzt bereits bei uns angefertigt. Der 
alte Raum ward zu klein, und fo entstand die Dorotheenstadt mit ihren Linden¬ 
reihen. Von einem Hornwerk umschlossen, birgt sie bereits eine Anzahl von 
Hausern, eine der Vollendung nahe Kirche und ein Rathaus, denn auch sie hat 
wie der Werder eine eigene Stadtverwaltung." „Wie," unterbricht Fuchs die 
Rede, „eine eigene Verwaltung? Dann liegen innerhalb desselben Walles vier 
getrennte Städte? Entstehen daraus nicht manche Unzuträglichkeiten?" „Sicher¬ 
lich," erwiderte Schardius, „es hat schon manchmal recht unangenehme Ver¬ 
wickelungen gegeben, wenn ein Malefikant sich durch Überschreitung der Gerichts¬ 
grenze der einen Stadt dem Anne der Gerechtigkeit zu entziehen suchte; doch ich 
gebe die Hoffnung nicht auf, daß über kurz oder lang eine Vereinigung der
	        
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