Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

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wieder eingestellt, aber minder heftig. Alle erdenklichen Mittel mürben gegen 
bie Anfälle aufgeboten, sie schienen Minderung zu schassen. Die Königin schlief 
vor- und nachmittags einige Stunden. Und wer nach ihrem Erwachen das 
noch klare 'Mitge der Kranken sah, das Aufblitzen ihres muntern, ja heitern 
(Geistes in fdhmerzenfreien Augenblicken: wie konnte ber, ohne Arzt zu fein, er¬ 
warten, bas; bies helle Auge sich so bald im Tobe verdunkeln, bi es er lichte Geist 
so balb erlöschen werbe? 
Geduldig in ihren harten Leiben, banste sie Gott mit Inbrunst für jebc 
Linderung durch bie menschliche Wissenschaft. Nur bas Atmen würbe ihr schwer 
uiib immer schwerer. Sie seufzte zuweilen auf: „Luft! Luft!" Dabei klagte 
sie über zunehmenbe Mattigkeit; bie Hinfälligkeit aller Erben große, von ihr 
schon in gefunden Tagen erkannt, beutete sie auf ihrem Krankenlager mit 
den leisen Worten au: „Ich bin Königin, aber meinen Arm kann ich nicht 
bewegen." — Bei ihrer Sehnsucht nach dem Könige hatte sie bie Zeit bis zum 
Freitag noch sehr lange gefunden; nun nernahut sie mit freudigen Blicken, als 
sähe sie ihn schon kommen, die Ankündigung feines frühern Eintreffens. — 
Die Nacht zum 19. Juli, ihre letzte Erden nacht, fing ziemlich gelinde an. 
Der Herzog hatte sich, auf feines Leibarztes dringenden Wunsch, aufs Bett ge¬ 
legt — nicht zum Schlafen, nur zur Ruhe der müden Glieder, und nicht ohne 
den wiederholten Befehl, daß man ihn rufe, sobald der Zustand seiner Tochter 
sich wieder verschlimmere. Gegen Mitternacht wurde die Kranke unruhig. Sie 
fieberte stärker, verlangte häufig zu trinken und sagte noch öfter: „Luft! Luft!" 
Sie litt wieder an Brustbeklemmungen. Ihre Schwester Frieberike hörte, wie 
sie leise ächzte. „Haft Du wieder Schmerzen?" fragte bie Prinzessin. — „Ach 
nein," war bie leise Antwort. „Ich fühle mich nur so matt, und wenn die 
bösen Krämpfe kommen, ist mir so, als sollte ich ausbleiben." Heim faß die 
Nacht über an ihrem Bette. Die Kranke nahm feine Hand in die ihrige, sie 
bat ihn, den alten vielerfahrenen Arzt, er möge doch auch ihr helfen von dieser 
Engbrüstigkeit. Sie sagte ihm, sie fühle eine brennende Hitze; ob es denn 
nicht kühle, wenn er ihr kölnisches Wässer in die Hände gieße? Dabei fetzte ein 
starker Schweiß sich in kalten Tropfen an. Heim lmuichte ein Tuch nach dem 
andern, um ihr das Gesicht abzutrocknen. Sie sprach mit klarstem Bewußtsein, 
aber ohne irgend eine Besorgnis ihres jetzt nahen Endes. Erst nach 2 Uhr 
in ber Nacht sagte sie nachdenklich, mit aufgehobenem Finger zu Heim: „Aber 
bedenken Sie, wenn ich dem König stürbe — und meinen Kindern!" Dann 
sprach sie von der nahen Ankunft ihres Mannes, und wie leid es ihr thue, 
daß er sie so krank finde. Sie wünschte: „Wär’ es doch erst Tag!" Fragte: 
wieviel Uhr es fei? Cb denn die liebe Sonne noch nicht aufgehe? Und was 
wohl heute für ein Tag werde? Cb ein trüber oder heller? Man sagte ihr: 
der Früh Himmel sei mit Wolken umzogen, es werde wohl einen trüben Tag 
geben. Und sie, sonst so gern in der „lieben Sonne", war froh darüber; ein 
minder sonniger Tag schien ihr Kühlung zu versprechen in ihrer Fieberhitze.
	        
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