Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

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genannte Pyramide ans hölzernen, mit bunten Papierkrausen umwickelten Staben. 
Auf der Spitze derselben schwebte gewöhnlich ein Engel ans Gips oder Wachs. 
Der untere Raum zwischen den vier Stäben war mit einem Zaun eingefaßt 
und mit Moos gefüllt. Ta standen kleine buntbemalte Holzfiguren, Maria, 
das Kind in eines Krippe, daneben der heilige Joseph, ein Esel und Ochs, 
Hirten mit Hunden und Schafen, wohl auch Jäger neben Hirschen und Rehen 
oder Soldaten, Trommler u. dgl. An den Stäben der Pyramide hingen zwischen 
bunten Wachslichtern vergoldete Äpfel und Rüste, sowie Pfefferkuchen. 
Von weltlichen Festen war in den Städten das bedeutendste das meist in 
der Pfingstwoche abgehaltene Scheiben- oder Vogelschießen; Besuch und festliche 
Stimmung brachte auch der Jahrmarkt. Ta gab es denn auch viel zu sehen, 
namentlich für die Jugend: Seiltänzer, Bereiter, Meuagerieeu, Wachsfiguren¬ 
kabinette u. dgl. Bilderhändler zogen in Hausfluren Schnüre auf, an denen 
die schönen Kupferstiche mit Klammern befestigt wurden. Ein Antiquar bot 
wohl auch alte Bücher feil. Ta Besuch zu erwarten war, ward zum Jahrmarkt 
such Kuchen gebacken. Ein Festgebäck gab's auch am Geburtstag der Kinder. 
Tas ward nach der Sitte der Zeit mit so viel brennenden Wachslichtern be¬ 
steckt, als das ftiitd Jahre zählte. 
Tie Grundlage des Volkes war zu Anfang unseres Jahrhunderts noch 
immer der Bauer, nicht bloß aus dem Boden gewachsen, sondern damals, zum 
Teil wenigstens, noch an denselben gebunden. Tie Tracht des Bauern war 
einfach und grob. Tie Beinkleider waren meist von Leder, darüber die Weste 
aus dunkelblauem Tuch mit Metallknöpfen. Sonntags trug der Bauer einen 
langen, dunkelblauen Rock, weiße Strümpfe und Schuhe, die Arbeitstracht aber 
war die kurze Jacke, die schon auf den Bildern des Sachsenspiegels und in den 
bildlichen Darstellungen von Bauern ans dem sechzehnten Jahrhundert, z. B. in 
den Bildern Behaims, als die eigentliche Bauerntracht erscheint. Jetzt hat diese 
Tracht überall dem langen Rocke Platz gemacht, und auch die enge lederne Hose 
ist dem weiten Beinkleid gewichen. Tie Männer trugen das Haar meist lang, 
strichen es von der Stirn nach hinten und hielten es durch einen Kamm aus 
Horn oder Messing fest. Zöpfe trugen nur sehr reiche Bauern, Lehnrichter imd 
dergleichen bäuerliche Standespersonen. Dabei trugen die Frauen meist kurz 
geschornes Haar unter einem bunten, aus steife Pappe gezogenen Kopftuche. 
Sonntags trugen die Bäuerinnen Cornetten, nit denen hinten lange, breite 
schwarze Bänder herabhingen. Ältere Frauen trugen noch die alten Mützen 
von Zobel- oder schwarzem Katzenfell, die oben mit einem gestickten oder gar 
mit einem goldenen Plättchen geziert und oft sehr teuer waren. Im Winter 
trugen Bauer und Bäuerin einen unüberzogenen Schafpelz. 
Der Bauer fürchtete und haßte meist den Edelmann, dem Pfarrer traute 
er nicht, den Bürger, der ihn verspottete, mochte er ebensowenig leiden; alle 
hinterging und betrog er mit großer Schlauheit, wo es nur möglich war. 
Sein mühsam erspartes Geld versteckte und vergrub er gern. Wenn es auf
	        
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