Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

mußte bei seinem Veralteten schwerfällige» Linienmarsch unb zeitraubenden 
Magazinwesen verbleiben. 
Eben so morsch wie trns Heer waren bie andern überlieferten Einrichtungen 
des Staats. Die Monarchie hatte auf allen Gebieten die frühere Spannkraft 
eingebüßt, war schlaff unb welk geworden. Das Volk aber, ausgeschlossen von 
allem Anteil an der Lenkung der vaterlänbischen Geschicke, in allem und jedem 
von einer unfähigen Regierung bevormundet, besaß zwar noch den Natioualstolz 
aus Friedrichs Zeit, aber nicht mehr das freudige Zutrauen zum Könige, der 
offenbar seinem schwierigen Posten nicht gewachsen war. Übrigens kam damals 
in Preuße» nichts darauf an, was das Volk meinte und dachte; es hatte bloß 
zu gehorchen, es sollte »ichts sein als eine willenlose Masse von Steuerzahlern 
und Nekrukeuliesereru, und es war denn auch nichts weiter. In den vor¬ 
nehmen Kreisen herrschten Frivolität und Genußsucht, in den untern eine ent¬ 
setzliche Stumpfheit und Gleichgültigkeit. Der Bürger und der Bauer hatten 
wenig Liebe für den Staat, in welchem nur Lasten und Pflichten ihr Teil 
waren; und wenig Liebe für das Heer, welches sie eher für eine Landplage 
ansahen und für eine bloße Versorgungsanstalt des hochmütigen Adels. Es 
war also ein verrottetes Heer und ein verrotteter Staat, diese „Monarchie 
Friedrichs bes Großen", bie nun in die Arena trat, mit dein gewaltigen Kaiser¬ 
reiche zu ringen, mit den sieggewohnten Streitkräften Napoleons, die ebenso an 
Geist wie an Zahl ihr weit überlegen waren. Tenn welch ein Abstich zwischen 
den Invaliden, die das preußische, und den jungen, talentvollen Feldherren, die 
das französische Heer befehligten! ein ebenso großer wie zwischen ben zer- 
prügelteu preußischen Sölbnern unb ben ruhmbegierigen französischen Solbaten, 
deren jeder „in seinem Tornister den Marschallstab" hatte. 
Zu alle beut kam noch, baß es auch noch an Gelb fehlte. Trotz aller Spar- 
samkeit hatte Friebrich Wilhelm III. bie Schulden, bie sein Vater hinterlassen, 
noch nicht tilgen, geschweige denn Überschüsse sammeln können, er mußte vielmehr 
mit ber Ausgabe von Papiergeld — von „Tresorscheinen" (nm 1. Juni 1806) 
- sich zu Helsen suchen. War es unter diesen Umständen dem Könige sehr zu 
verargen, daß er dem Kriege so lange aus dem Wege ging, als es sich nur 
irgend thun ließ? Wohl aber gereicht es ihm zum schweren Vorwurf, daß er 
beizeiten nichts that, Staat und Heer von Grund aus zu reformieren. 
Ein Hanptübel der Regierungsniaschiue war, daß es an Einheit und Zu¬ 
sammenhang zwischen den einzelnen Geschäftszweigen fehlte, daß namentlich die 
diplomatischen und militärischen Angelegenheiten einer starken einheitlichen Lei¬ 
tung entbehrten. Es gab keinen leitenden Premierminister, sondern der König 
wollte, wie es Friedrich der Große gethan, alles selbst leiten und bediente sich 
dabei bes Rates von Fachmännern, die ohne Verantwortlichkeit und ohne Ver- 
binbung mit den eigentlichen Behörden doch durch ihren persönlichen Einfluß 
oft in den wichtigsten Staatssachen die letzte Entscheidung gaben: er führte die 
Regierung mit Hilfe der Geueraladjutamen und einiger Kabinettsräte. Diese
	        
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