62 Zweites Buch. 
übrigen Volke gegenüberstand, wie dies in den dorischen Staaten 
der Fall war, so schloß er sich doch in seiner festen Gliederung 
als besonderer Stand von der niedern Bevölkerung ab und ver¬ 
mochte dem Königthum beschränkend entgegenzutreten. 
Nach dem Tode des Kodros sollen die Athener erklärt haben, 
es sei Keiner würdig ihm als König zu folgen, und seitdem 
regierten aus seinem Stamme lebenslängliche Archonten. Archon 
(Regent) und nicht König ward nunmehr das Staatsoberhaupt 
wohl deswegen genannt, weil man dem Königthnme die Ober¬ 
priesterwürde und die Aufsicht über das Religionswesen entzogen 
hatte; eine Verringerung des königlichen Ansehens, wodurch es 
dem Adel gelang, sich das Recht der Beaufsichtigung der Re¬ 
gierung anzumaßen. Nachdem 13 lebenslängliche Archonten re¬ 
giert hatten, ging der Adel (752 v. Chr.) einen Schritt weiter 
und bestimmte, daß hinfort ein Archon nur auf 10 Jahre ein¬ 
gesetzt werden sollte. Bei den 4 ersten zehnjährigen Archonten 
verblieb man noch in dem königlichen Geschlechte der Kodriden, 
die folgenden wurden aus den herrschenden Adelsfamilien ge¬ 
wählt; mit dem Jahre 682 aber wurde die Macht des höchsten 
Regierungs- und Richteramtes völlig zerstückelt, statt eines 
wählte man 9 Archonten, und zwar jedesmal nur auf ein Jahr. 
Seitdem war es allen Adelsfamilien möglich, sich an den höchsten 
Regierungsämtern zu betheiligen. 
Der erste Archon, der Archon Eponymos, weil nach ihm 
das Regierungsjahr benannt ward, hatte ein Oberaufsichtsrecht 
über die gesammte Staatsverwaltung, die richterliche Entscheidung 
in allen das Familien- und Erbrecht betreffenden Angelegenheiten, 
die Sorge für die Unmündigen und Waisen. Der zweite Archon 
hieß Basilens (König), hatte die priesterlichen Functionen des 
Königthums und die Ueberwachung des öffentlichen Religions- 
wefens; dem dritten, dem Polemarchos (Kriegsherr), war- die 
Leitung des Kriegswesens und iu früherer Zeit wenigstens das 
Heerführeramt übertragen. Diese drei ersten Archonten waren 
die Träger der wesentlichsten Eigenschaften des alten Königthums,