Full text: Die Helden Griechenlands im Krieg und Frieden (Bd. 1)

Athen vor Solon. 63 
die übrigen sechs hießen Thesmotheten, d. H. Richter, und bilde¬ 
ten ein Collegium, welchem die richterliche Gewalt in allen den 
Angelegenheiten zustand, die nicht in den Amtskreis der drei 
ersten gehörten. 
So hatten also jetzt die Eupatriden die gestimmte Regie¬ 
rung und die Rechtspflege in Händen, und sie beuteten bald die 
Vortheile, welche ihnen diese Stellung im Staate bot, selbst¬ 
süchtig nur für ihr eigenes Interesse aus. Sie übten die Rechts¬ 
pflege mit Willkür im Sinne ihrer Partei und bedrückten das 
niedere Volk. Sie waren im Besitze des besten und meistert Acker¬ 
landes, in ihren Händen war das meiste Geld. Ein großer Theil 
des niederen Volkes mit kleinem Grundbesitze, das unter dem 
Drucke immer mehr verarmte, wurde der Schuldner der reichen 
Eupatrideu, sie verloren in Folge eines harten Schuldgesetzes ihr 
Ackerland an ihre Gläubiger, ja sogar ihre persönliche Freiheit; 
im besten Falle dursten sie auf ihrem früheren Eigenthum als 
Zinsbauern arbeiten, die den sechsten Theil des Ertrags an die 
Grundherren abgeben mußteu. Die Zahl der freien Eigenthümer 
schmolz immer mehr zusammen. 
Allein ein Theil des Volkes wußte sich doch noch in seiner 
selbständigen Stellung zu behaupten. Ihre Unzufriedenheit mit 
den bestehenden Verhältnissen zwang die Enpatriden endlich zur 
Nachgiebigkeit und veranlaßte sie, an die Stelle der Willkür bei 
Ausübung der Gerichtsbarkeit ein geschriebenes Gesetz einzuführen, 
damit das Volk die Normen wisse, nach welchen es gerichtet würde. 
Der Archon Drakon erhielt den Auftrag, die Rechtsbestimmuugeu 
aufzuschreiben (624 v. Chr.). Seine Gesetze waren nichts anderes, 
als das bisher von den Enpatriden ausgeübte harte Recht, ohne 
alle Milderung, sie waren, wie man sich später ausdrückte, mit 
Blut geschrieben. Auf jedes Verbrechen hatte er den Tod gesetzt; 
denn die kleineren Verbrechen, sagte er, verdienen schon den Tod, 
und für die größeren ist keine andere Strafe vorhanden. Kein 
Wunder also, daß das Volk, das sich in seinen Hoffnungen ge¬ 
täuscht fand, nur noch unzufriedener ward, so daß die Enpatriden
	        
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