den alle Welt wider Christum für einen Gott gehalten, legen dürfte. Als man
ihn unterwegs an Husfens Schicksal erinnerte, sprach der unerschrockene Held:
„Und wenn sie gleich ein Feuer machten, das zwischen Wittenberg und Worms
bis an den Himmel reichte, so wollte ich doch im Namen des Herrn erscheinen
nnd dem Behemoth in sein Maul zwischen seine großen Zähne treten und Chri¬
stum bekennen uud denselbigen walten lassen." Dem Spalatiu aber, der ihn
ebenfalls von der Weiterreise abzuhalten suchte, ließ Luther sagen: „Und wenn
so viele Teufel zu Worms wären, als Ziegel auf den Dächern, ich ginge doch
hinein!" Bei der Ankunft in Worms erregte sich die ganze Stadt und kaum
vermochte der dem Wagen vorher reitende kaiserliche Herold die angewiesene
Herberge zu erreichen.
Des andern Tages wurde Luther vor den versammelten Reichstag geführt.
An der Saalthüre stand der in den Waffen ergraute Franz von Freundsberg.
Theilnehmend klopfte er Lutheru auf die Schulter und sprach: „Mönchlein,
Mönchlein, du gehst jetzt einen schweren Gang, dergleichen ich und mancher
Oberste in der allerernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben. Bist du aber
auf rechter Meinung und deiner Sache gewiß, fo fahre in Gottes Namen fort
uud sei getrost, Gott wird dich nicht verlassen." So getröstet trat der Gottes¬
mann unter die versammelten Herren. Auf einem Tische mitten im Saale lagen
Luthers Schriften. Johann von Eck richtete die Frage an ihn, ob er bei den in
denselben ausgesprochenen Ansichten verharren oder widerrufen wolle. Luther
erbat und erhielt Bedenkzeit für den andern Tag. Als er nach einigem Warten
endlich vorgelassen wurde, vertheidigte er sich in einer zweistündigen Rede. Als
man darnach eine runde Erklärung verlangte, ob er widerrufen wolle oder nicht,
erwiederte er: „Weil denn kaiserliche Majestät, kur- und fürstliche Gnaden eine
schlichte, richtige Antwort begehren, so will ich eine geben, die weder Hörner
noch Zähne haben soll, nämlich also: es sei denn, daß ich mit Zeugnissen der
heiligen Schrift oder mit öffentlichen, klaren und hellen Gründen überwunden
und überwiefen werde (denn ich glaube weder dem Papst noch den Concilien
allein, weil es am Tage und offenbar ist, daß sie oft geirrt haben und ihnen selbst
widersprechend gewesen sind) und ich also mit Sprüchen, so von mir angezogen
und angeführt find, überzeuget und mein Gewifsen in Gottes Wort gefangen ist,
fo kann und will ich nicht widerrufen, weil weder sicher noch gerathen ist, etwas
wider das Gewissen zu thun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders; Gott helfe
mir! Amen." Luther gewann durch fein muthiges Auftreten Vieler Herzen.
Kurfürst Friedrich der Weise war stolz auf ihn, mehrere Herren besuchten ihn,
und Herzog Erich von Braunschweig sandte ihm dankbar eine Kanne Eimbecker
Bieres. Der Kaiser selbst, der kein Verständniß für die Tiefe eines deutschen
Gemüthes hatte, soll gleich beim ersten Anblick des Mönches gesagt haben:
„Der wird mich nicht zum Ketzer machen!" Er hielt zwar das einmal zugesicherte
Geleit, aber bereits am 26. Mai 1521 erschien ein im strengsten Tone abgefaßtes
kaiserliches Edikt, nach welchem Luther in die Reichsacht erklärt und jede fernere
Verbreitung der evangelischen Lehre verboten wurde.
14. Johann Kepler bei Kaiser Rudolph II.
(1600 n. Chr.)
„Selten wohl haben zwei so verschiedene Naturen in so naher Berührung
gestanden, wie die beiden Männer, die sich hier in einem Gemache der kaiserlichen