Zeit der Fremdherrschaft; — Neugestaltung deS preußischen Staates. 45
jetzt freilich glänzenden Throne ist. Fest und ruhig ist nur allein
Wahrheit und Gerechtigkeit, und er ist nur politisch, das heißt
klug, und er richtet sich nicht nach ewigen Gesetzen, sondern nach
Umständen, rote sie nun eben sind. Dabei befleckt er seine Re¬
gierung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meint es nicht redlich mit
der guten Sache und mit den Menschen. Er und sein ungemessener
Ehrgeiz meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse. ^ Man
muß ihn mehr bewundern, als man ihn lieben kann. Er ist von
seinem Glück geblendet, und er meint alles zu vermögen. Dabei
ist er ohne alle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, ver¬
liert das Gleichgewicht und fällt. Ich glaube fest an Gott, also
auch an eine sittliche Weltordnung. Diese sehe ich in der Herrschaft
der Gewalt nicht; deshalb bin ich der Hoffnung, daß auf die jetzige
böse Zeit eine bessere folgen wird. Diese hoffen, wünschen und er¬
warten alle bessern Menschen, und durch die Lobredner der jetzigen
und ihres großen Helden darf man sich nicht irre machen lassen.
Ganz unverkennbar ist alles, was geschehen ist und geschieht, nicht
das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, sondern nur
die Bahnung des Weges zu einem besseren Ziele hin. Dieses Ziel
scheint aber in weiter Entfernung zu liegen; wir werden es wahr¬
scheinlich nicht erreicht sehen und darüber hinsterben. Wie Gott
will — alles, wie er will. Aber ich finde Trost, Kraft und Mut
und Heiterkeit in dieser Hoffnung, die tief in meiner Seele liegt.
Ist doch alles in der Welt nur Übergang! Wir müssen durch.
Sorgen wir nur dafür, daß wir mit jedem Tage reifer und besser
werden. Hier, lieber Vater, haben Sie mein politisches Glaubens¬
bekenntnis, so gut ich als eine Frau es formen und zusammensetzen
kann. Mag es seine Lücken haben, ich befinde mich wohl dabei;
entschuldigen Sie aber, daß ich Sie damit behellige. Sie sehen
wenigstens daraus, daß Sie auch im Unglück eine fromme, ergebene
Tochter haben, und daß die Grundsätze christlicher Gottesfurcht, die
ich Ihren Belehrungen und Ihrem frommen Beispiele verdanke,
ihre Früchte getragen haben und tragen werden, solange Odem in
mir ist. Gern werden Sie, lieber Vater, hören, daß das Unglück,
welches uns getroffen, in unser eheliches und häusliches Leben nicht
eingedrungen ist, vielmehr dasselbe befestigt und uns noch werter
gemacht hat. Der König, der beste Mensch, ist gütiger und liebe¬
voller als je. Mehr in Handlungen, wie er ist, als in Worten er¬
sehe ich die Aufmerksamkeit, die er in allen Stücken für mich hat,
und noch gestern sagte er schlicht und einfach, mit feinen treuen
Augen mich ansehend, zu mir: „Du, liebe Luise, bist mir im Un¬
glück noch werter und lieber geworden. Nun weiß ich aus Er¬
fahrung, was ich an dir habe. Mag es draußen stürmen — wenn
es in unserer Ehe nur gut Wetter ist und bleibt. Weil ich Dich