Der Deutsche Befreiungskrieg 1813. 5
nach einem Vierteljahrhundert mein unterdes kälter gewordenes
Blut bei dieser Erinnerung mit verdoppelten Schlägen. Hier
ward die erste Landwehr von 30000 bis 40000 Mann errichtet;
daneben wurden die aus Kurland zurückgekommenen preußischen
Regimenter ergänzt; unter der Führung des Grafen von Lehn-
dorf ward ein prächtiges Reiterregiment von Freiwilligen be¬
ritten gemacht. Das war eine Begeisterung in den Städten und
auf dem Lande, auf den Straßen und in den Feldern, auf den
Kathedern und Kanzeln und in den Schulen! In kälterer ärmerer
Zeit lächelt man, wenn man zurückdenkt; aber es war alles
bitterster heiligster Ernst, was den Leuten jetzt ein kindliches ja
kindisches, höchstens ein gemachtes poetisches Spiel dünken würde.
Da sagten die sechzehn-, siebzehnjährigen Jünglinge, die für die
Waffenlast kaum reifen Jünglinge beim Abschied aus den Gym¬
nasien, als sie das Roß tummeln und die Büchse laden lernen
wollten, übersetzte Stücke aus den Hymnen des Tyrtäus, lyrische
Stücke aus der Klopstockschen Hermannsschlacht her, und Männer
und Greise, Väter und Mütter standen mit gefalteten Händen
dabei und beteten still Sieg und Segen. — Unterdessen war
Kutusow mit seinen Russen auch über die Weichsel gegangen,
und der Kaiser Alexander nach Breslau, wo er Bündnis und
Freundschaft mit dem König von Preußen von neuem befestigte.
Der König hatte seine Verkündigung an sein Volk und die Kriegs¬
erklärung an Frankreich erlassen und den Orden des Eisernen
Kreuzes als das hohe Feldzeichen dieses Krieges errichtet. Ich
kam in der letzten Märzwoche in Kalisch an, wo der Kaiser und
der Minister vom Stein waren und den König von Preußen
erwarteten.
Ausruf des Königs Friedrich Wilhelm m.
(Stacke:)
An Mein Volk!
So wenig wie sür mein treues Volk als für Deutsche bedarf es
einer Rechenschaft über die Ursachen des Kriegs, welcher jetzt
beginnt. Klar liegen sie dem uuverblendeten Europa vor Augen.
Wir erlagen unter der Übermacht Frankreichs. Der Friede, der
die Hälfte Meiner Untertanen Mir entriß, gab uns seine Seg¬
nungen nicht; denn er schlug uus tiefere Wunden, als selbst der
Krieg. Das Mark des Landes ward ausgesogen, die Haupt¬
festungen blieben vom Feinde besetzt, der Ackerbau ward gelähmt
sowie der sonst so hoch gebrachte Kuustsleiß unserer Städte. Die
Freiheit des Handels ward gehemmt, und dadurch die Quelle
des Erwerbs und des Wohlstands verstopft. Das Land ward
ein Raub der Verarmung. Durch die strengste Erfüllung ein-