Object: Die alten Deutschen während der Urzeit und Völkerwanderung

35. Der Ostgotenkönig Witichis. 
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steigen. Da stellte sich Belisar, als ginge er mit großer 
Freude auf die Anerbietungen der Goten ein, und gelobte, 
keinem Goten ein Leid anzuthun, ihr König zu werden und 
als solcher in Ravenna einzuziehen. Und so wurde er denn 
im Frühling des Jahres 540 in die ausgehungerte Stadt 
eingelassen. Ohne Schwertstreich gaben die ermatteten Goten 
ihre Königsstadt, ihren Schatz, ihr ganzes Reich in die 
Hände des Feindes. So tief hatte das Unglück ihre Herzen 
gebeugt. Die gotischen Weiber aber, welche gehört hatten, 
die Feinde seien viel stärker, größer und zahlreicher als die 
Goten, spieen nun ihren Männern ins Gesicht und wiesen 
mit den Fingern auf die kleinen unkräftigen Gestalten der 
Sieger, denen sie sich ergeben hatten. 
Die verblendeten Goten sollten sogleich einsehen, daß sie 
schändlich betrogen waren. Belisar dachte gar nicht daran, 
vom Kaiser abzufallen und die Krone anzunehmen. Den 
Witichis hielt er in ehrenvoller Haft, entließ die Goten zu 
Ravenna nach ihren Wohnsitzen, damit sie ihre Felder in 
Frieden bebauten, und nahm den ganzen Königshort in 
Besitz, um ihn dem Kaiser zu llberbringen. Entmutigt ergaben 
sich.die Besatzungen der Burgen und Städte, die sich noch 
gegen Belisar behauptet hatten. Nur zwei hielten tapfer 
stand: Hildibad in Verona und Uraja, Witichis Schwester- 
sohn, in Pavia. Gerade damals nun, als Belisar so seinem 
Kaiser bewundernswerte Treue, den Goten dagegen abscheuliche 
Treulosigkeit bewies, wollte es das Schicksal, daß er von 
etlichen Neidern in Konstantinopel bei Justinian verleumdet 
wurde, als ob er nach der weströmischen Kaiserwürde trachte, 
und daß Justinian ihn deshalb sofort aus Italien abberief 
und in den Krieg gegen die Perser schickte. 
Als nun die Goten erfuhren, daß Belisar sie getäuscht hatte 
und sich zur Abfahrt rüstete, zogen alle, die noch nicht ganz an 
der Zukunft ihres Stammes verzweifelten, nach Pavia zu Uraja. 
Mit ihm zusammen weinten die starken Männer lange um 
ihres Volkes Schicksal, dann forderten sie ihn auf, die Krone 
anzunehmen und ihnen Führer zum Siege oder zu ehrenvollem 
Todeskampfe zu sein. Er aber nannte ihnen als den tüch- 
Klee, Die alten Deutschen.
	        
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