Herr aller Rechte zu sein und das Schwert Deutschlands
zum Schutze derselben zu führen.
Deutschland, stark durch die Einheit seiner Fürsten und
Stämme, hat seine Stellung im Rate der Nationen wieder
gewonnen, und das deutsche Volk hat weder das Be¬
dürfnis noch die Neigung, über seine Grenzen hinaus
etwas anderes als den auf gegenseitiger Achtung der
Selbständigkeit und gemeinsamer Förderung der Wohl¬
fahrt begründeten freundschaftlichen verkehr der Völker zu
erstreben. Sicher und befriedigt in sich selbst und in seiner
eigenen Kraft wird das Deutsche Reich, wie ich vertraue,
nach siegreicher Beendigung des Krieges, in welchen ein
unberechtigter Angriff uns verwickelt hat, und nach Sicher¬
stellung seiner Grenzen gegen Frankreich ein Reich des
Friedens und des Segens sein, in welchem das deutsche
Volk finden und genießen wird, was es feit Jahrhunderten
gesucht und erstrebt.
2^
Die Proklamation von Kaiser und Reich in
Versailles.
(18. Januar 1871.)
a) Aus dem Tagebuch des Kronprinzen.1)
17. Januar. Nachmittags beim König eine Sitzung von
Bismarck, Schleinitz und mir von drei Stunden in über¬
heiztem Zimmer über Titel, Thronfolge usw. Bei Be¬
ratung des Titels bekennt Bismarck, daß bereits bei Be¬
ratung der Verfassung die bayrischen Bevollmächtigten das
Kaiser von Deutschland nicht hätten zulassen wollen und
daß er endlich ihnen zu Liebe, aber allerdings ohne
S e. ZTTajestätzubefragen,öie Formel Deutscher
Kaiser zugestanden habe. Diese Bezeichnung mißfiel dem
König ebenso wie mir, aber vergeblich. Bismarck suchte zu
beweisen, daß „Kaiser von Deutschland" eine Territorial¬
macht bedeute, die wir über das Reich gar nicht besäßen,
während „Deutscher Kaiser" die natürliche Konsequenz des
Imperator Romanus sei. U)ir mußten uns fügen, jedoch
*) ITT. v. poschinger, Kaiser Friedrich. Bö. II, 5. 422 ff.
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