Full text: Ein deutscher Bürger des sechzehnten Jahrhunderts

zu wissen, wie man auf Lateinisch ausdrücken könnte: „(Es 
ist wahrlich eine schöne Jungfrau." Er sagte: „profecto 
formosa puella.“ Sie fragte wieder, wie man denn Lateinisch 
ausdrücken könnte: „so ziemlich". Jener antwortete: „sic 
satis.“ Nach Verlauf von einiger Zeit kamen hierher drei 
Studenten von Wittenberg, vornehmer Leute Kinder, nur 
um die Stadt zu besehen; die hatte Christian Schmiterloro 
an seinen Vater, den Bürgermeister Nikolaus Schrniterloro, 
zur Beherbergung schriftlich empfohlen, und darum wollte 
er sie auch gut bewirten und ihnen gute Gesellschaft leisten 
lassen. Da er selbst drei erwachsene Töchter hatte, hatte er 
neben anderen Gästen auch meine Schwester einladen lassen. 
Nun wechselten die Studenten mit den Jungfrauen allerlei 
Scherzworte und redeten auch in lateinischer Sprache von 
Dingen, die sich vor Jungfrauen deutsch zu reden nicht 
geziemt, wie junge Gesellen wohl zu tun pflegen. Unter 
anderen sagte der eine zum anderen: „Profecto formosa 
puella,“ und als meine Schwester antwortete: „Sic satis,“ 
erschraken sie, da sie vermeinten, daß sie auch ihre vorigen 
„amatorischen"x) Reden verstanden hätte. Sie wurde leider 
im Jahre 1544 in einer gar ungeschlachten Ehe mit Christoph 
ZTteyer verheiratet, der das Haus am alten Markte an der 
Zährstraßenecke von seinen (Eltern als deren einziges Kind 
ererbte; sein Vater, Hermann ZTIeyer, hatte mit hohen Ver¬ 
sprechungen und Zusagen, die er nicht gehalten hat, meine 
Schwester dazu beredet; ihr Mann war ein ungeschlachter 
Mensch, vertat, verfaulenzte und verbankettierte alles, was 
er hatte, auch das mit meiner Schwester (Erheiratete. Sie 
zeugten miteinander zwei Kinder, einen Sohn und eine 
Tochter, während meine Schwester noch in den Wochen 
lag, hielt er Umgang mit seinen Mägden und reizte also 
unsern Herrgott zum Zorn und zu umgehender Strafe, 
Franzosen (Syphilis) und Armut; darüber waren meine 
(Eltern sehr betrübt und wünschten dieser meiner Schwester, 
die ihres Lebens gar müö und satt war, den zeitlichen Tod 
mehr, als daß sie sich davor fürchteten. Sie ist gestorben 
im Jahre 1549, erst 26 Jahre alt. ... 
Im Jahre 1527 auf Michaelis (29. September) wurde 
') Auf Liebesgeschichten sich beziehende. 
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