Full text: Blüchers Zug von Auerstedt bis Ratkau und Lübecks Schreckenstage (1806)

zu machen. Ich will also bloß, soviel mir möglich ist und der 
Wahrheit treu, das Gemälde jenes schrecklichen Tages aufstellen 
und nur dasjenige erzählen, was ich selbst gesehen und gehört 
habe, und ich bin überzeugt, daß der Menschenfreund dieses 
Blatt nicht ohne Rührung lesen und seinen gefallenen un¬ 
glücklichen deutschen Brüdern sowie jenen, den Zranzosen, 
eine Träne zollen wird. 
Ein Teil des Blücherschen Korps besetzte, wie bekannt, 
gewaltsam Lübeck, denn die Tore waren geschlossen und man 
behauptete die Neutralität. Sobald die Truppen einmarschiert 
und im (Quartier waren, was alles in größter Ordnung ge¬ 
schah — überhaupt gereicht ihnen ihr gesamtes Betragen zum 
größten Ruhme, denn so viel und so groß auch ihre Bedürf¬ 
nisse waren, so baten sie nur, wo vielleicht andere Truppen in 
solchen äußerst betrübten Umständen mit Gewalt gefordert 
hätten—, begab sich eine Deputation des Senats zum General 
en chef und stellte ihm die Lage vor, in welche die Stadt da¬ 
durch kommen konnte. Er gab dieser die beruhigende Versiche¬ 
rung, daß sie nichts zu befürchten hätten, allein die Notwendig¬ 
keit einer 24 stündigen Erholung seiner ganz entkräfteten Trup¬ 
pen sähen sie doch wohl ein, und nach Derlauf dieses Zeit¬ 
raumes würde er sich sogleich mit seinem Korps entfernen. 
Den 6. November morgens 6 Uhr, als Lübecks gute Ein¬ 
wohner zum Teil noch ruhig schliefen, geschahen Kanonen¬ 
schüsse, und gleich darauf wurden beinahe in allen Straßen 
die Trommeln zum Hufbruch geschlagen; selbst mancher Sol¬ 
dat, der vielleicht in diesem Augenblicke seinem Schöpfer ein 
Dankgebet für ein so lange entbehrtes und erquickendes Nacht¬ 
lager brachte, wurde unverhofft darin gestört, mußte es ver¬ 
lassen und— dem Tode entgegeneilen. Alles, Soldaten, Bürger, 
Weiber und Kinder kamen in Aufruhr; erstere mußten ihren 
Alarmplätzen zueilen, und nach Verlauf einer Stunde mar¬ 
schierten ungefähr 3000 Mann zum Burgtor hinaus, um dem 
heranziehenden Zeinde entgegenzugehen. Um 8 Uhr begann 
eine halbe Stunde vor der Stadt ein heftiges 5euer mit einem 
Teile der Avantgarde des Generals Soult, welches an zwei 
Stunden anhielt, bis die Preußen zurück und endlich in die 
Stadt selbst gedrängt wurden. Mit dem schrecklichsten Kartät¬ 
schenfeuer wurden die Zranzosen an den Toren empfangen, 
was sie aber nicht abhielt, in die Stadt zu dringen, denn ihre 
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