er das Gemetzel bis in das Innere der Häuser trug, warum
schickte er nicht in diesem Augenblicke einen Parlamentär, um
eine Kapitulation anzubieten, da er doch voraussah, daß er
am nächsten Tage es würde tun müssen, gedrängt an das
Meer und die Grenze Dänemarks, an der ein Heer bereit¬
stand, ihn zurückzutreiben? wenn der General Blücher
das Hecht hatte, ein neutrales Gebiet zu verletzen, warum setzte
er seine Zlucht nicht bis über die Grenze Dänemarks fort?
„weil das", sagt er in seinem Bericht, „unseren Interessen
entgegen hätte sein können." Eine eigentümliche Moral,
die das Interesse über die Billigkeit setzt! Man sollte wenig¬
stens so viel Schamgefühl haben, dergleichen Beweggründe
zu verbergen. Ich gebe zu, daß der preußische General in
den Rügen der Militärs, die nichts als ihre kriegerischen pflich¬
ten anerkennen, entschuldbar gewesen wäre, wenn er großen
Dorteil aus der Verteidigung Lübecks gezogen, wenn er sich
darauf einige Zeit gestützt, wenn er dadurch seine Niederlage
um ein beträchtliches hinausgeschoben hätte. Hber er hat
sie kaum um einige Stunden hinausgeschoben und am Mor¬
gen des folgenden Tages fast im Angesicht der unglücklichen
Stadt kapituliert. In seinem amtlichen Bericht sogar berech¬
net er den widerstand, den er dort leisten konnte, nur auf
zwei Tage! Das ist sicherlich ein recht kleiner Dorteil im Der-
gleich zu einer so großen Ungerechtigkeit, die so viel Übel im
Gefolge haben mußte! Niemand schlägt sicherlich den Ruhm,
der sich an kriegerische Leistungen und die edle Hingabe an
das Waffenhandwerk knüpft, höher an als ich. Mein herz
brannte schon lange dafür. Es ist groß und schön, sich selbst,
seine Neigungen und sein Leben einer Pflicht zu opfern,
einer Derbinölichfeit gegen sein Daterland oder den Zürsten,
der es nach außen vertritt. Nichts Ehrenvolleres gibt es, als
tapfer für eine gerechte Sache zu kämpfen oder wenigstens
für eine, die man dafür hält. Kber diese kriegerische Tugend,
die so edel und achtungswert ist, darf die Seele nicht grau¬
sam machen, welche sie rührt und festigt. Es gibt kein
Gewerbe, welches uns vergessen machen darf, daß wir Men¬
schen sind, und wenn es Militärs gibt, die anders denken, „so
danke ich den Göttern, daß ich nicht mehr Römer genug bin,
um mir noch ein Gefühl der Menschlichkeit zu wahren" (Cor¬
neille).
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