Herr. Sein Wahlspruch: „Mehr, weiter!" hat eine glorreiche Er¬
füllung.
So ist sein Leben, wenn wir es im ganzen betrachten: nach unge¬
wöhnlich langem Ruhen volle Tätigkeit. Es läßt sich bemerken, daß
5 die nämliche Erscheinung: anfangs Ruhen, Warten, Zusehen, spät
die Tat, auch während seines bewegtesten Lebens in den einzelnen
Ereignissen immer wiederkehrt. Obwohl in der allgemeinen Willens¬
richtung völlig entschieden, faßte er, Fall für Fall, doch nur langsam
Entschlüsse. Auf jeden Vortrag antwortete er anfangs unbestimmt,
10 und man mutzte sich hüten, seine vieldeutigen Ausdrücke für eine Ge¬
währung zu nehmen. Dann beriet er sich mit sich selbst. Er schrieb
sich oft die Gründe für und wider auf; da brachte er alles in so
guten Zusammenhang, daß, wer ihm den ersten Satz zugab, ihm
den letzten zuzugeben gewiß genötigt war. Den Papst besuchte er
iS zu Bologna, einen Zettel in der Hand, auf welchem er alle Punkte
der Unterhandlung genau verzeichnet hatte. Nur Granvella pflegte
er jeden Bericht, jeden Vortrag mitzuteilen; diesen fanden die Bot¬
schafter immer bis auf die einzelnen Worte, welche sie dem Kaiser
gegenüber geäußert, unterrichtet: zwischen beiden wurden alle Be-
20 schlüsse gefaßt. Langsam geschah es, häufig hielt Karl den Kurier
noch ein paar Tage länger auf. War es aber einmal so weit, so
war nichts auf der Welt vermögend, ihm eine andre Meinung bei¬
zubringen. Man wußte dies wohl. Man sagte, er werde eher die
Welt untergehen lassen als eine erzwungene Sache tun. Es gab
25 kein Beispiel, daß er jemals durch Gewalt oder Gefahr zu irgend
etwas genötigt worden sei. Er äußerte sich selbst mit einem naiven
Geständnis hierüber. Er sagte zu Contarini: „Ich bestehe von Natur
hartnäckig auf meinen Meinungen." „Sire," entgegnete dieser, „auf
guten Meinungen bestehen ist nicht Hartnäckigkeit, sondern Festigkeit."
so Karl fiel ihm ins Wort: „Ich bestehe zuweilen auch auf schlechten."
Der Beschluß ist indes noch lange nicht die Ausführung. Karl
hatte eine Scheu, die Dinge anzugreifen, auch wenn er sehr gut wußte,
was zu tun war. Im Jahre 1538 sagte Tiepolo von ihm, er zögere
so lange, bis seine Sachen gefährdet, bis sie ein wenig im Nachteile
35 seien. Eben das fühlte Papst Julius III., wenn er sagte, Karl räche
sich wohl, doch müsse er erst einige Stöße fühlen, ehe er sich erhebe.
Auch fehlte es dem Kaiser oft an Geld; die verwickelte Politik gebot
ihm tausend Rücksichten.
Indes er nun harren mußte, behielt er seine Feinde unaus-
40 gesetzt im Auge. Er beobachtete so genau, daß die Gesandten er-