Full text: Mittelalter (und Neuzeit bis 1648) (2)

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arten aus und verbrämen deren Felle noch mit den gefleckten Pelzen ge¬ 
wisser Tiere, die vom nördlichen Ozean und unbekannten Küsten kommen. 
Das Weib hat keine andere Tracht als der Mann, nur kleidet es sich 
häufiger in leinene, mit Purpurstreifen verzierte Gewänder. Diese haben 
keine Ärmel, so daß Schultern, Arme und auch ein Teil der Brust unbe¬ 
deckt bleiben. 
Das Eheleben ist streng bei den Germanen, und das ist wohl ihre 
achtungswerteste Sitte. Denn sie sind fast die einzigen Barbaren, die sich 
mit einem Weibe begnügen. Die Ausstattung bringt nicht das Weib dem 
Manne, sondern der Mann dem Weibe. Eltern und Verwandte sind zu¬ 
gegen, die Geschenke zu mustern: nicht Luxusartikel für weibliche Eitelkeit, 
noch zum Schmuck der Neuvermählten, vielmehr Rinder, ein gezäumtes 
Roß und ein Schild mit Schwert und Speer. Mit solchen Geschenken 
wird die Gattin empfangen, wie sie selbst wiederum dem Manne ein Stück 
der Bewaffnung zubringt. Diese Dinge gelten als das stärkste Band, als 
die geheimnisvolle Weihe, als die Schirmgötter des Ehebundes. Das 
Weib soll nicht glauben, sie stehe außerhalb der Gedankenwelt des Mannes, 
außer dem Bereich der Kriegsereignisse. Darum wird sie schon aus der 
Schwelle des Ehestandes belehrt, sie trete ein als Genossin der Arbeiten 
und Gefahren, um mit dem Manne Gleiches im Frieden, Gleiches im 
Kriege zu tragen und zu wagen. Das verkünden ihr die Stiere im Joch, 
das geschirrte Roß, die dargebrachten Waffen. So soll sie leben, so 
sterben. Was sie jetzt empfängt, das soll sie unentweiht und in Ehren 
dereinst ihren Söhnen hinterlassen; von diesen sollen es die Schwieger¬ 
töchter erhalten und wiederum die Enkel erben. 
Auch die Fehden seines Vaters oder eines Verwandten hat der Erbe 
zu übernehmen so gut wie die freundschaftlichen Beziehungen. Doch 
dauern die ersteren nicht unversöhnlich fort; denn selbst Totschlag kann 
durch eine bestimmte Anzahl großen oder kleinen Viehs gebüßt werden?) 
und das ganze Haus des Geschädigten nimmt die Genugtuung an. 
Zu Bewirtungen und gastlichem Leben hat kein anderes Volk eine 
so unbeschränkte Neigung. Jrgendwem, wer es auch sei, seine Tür zu 
verschließen gilt für ein Unrecht. Jeder bewirtet den Gast an dem nach 
Kräften reichlich besetzten Tische. Gebricht's an Vorrat, so macht der bis¬ 
herige Wirt den Wegweiser zu einer neuen Herberge und geht mit seinem 
Gast ungeladen ins nächste Haus; beide werden ohne Unterschied mit 
gleicher Freundlichkeit aufgenommen. Ob bekannt oder unbekannt gilt in 
Hinsicht auf des Gastes Ansprüche gleichviel. Beim Abschiede ist es Sitte 
dem Fremden mitzugeben, was er sich etwa ausbittet, und der Wirt macht 
eine Gegenforderung mit gleicher Unbefangenheit. Sie lieben derlei Ge¬ 
schenke; aber was sie geben, rechnen sie nicht an, und was sie erhalten, 
bindet sie nicht. 
Gleich nach dem Schlafe, den sie meistens bis in den Tag hinein 
dehnen, wird gebadet; meist warm, natürlich, weil bei ihnen die meiste 
Zeit Winter ist. Nach dem Bade frühstücken sie; jeder hat seinen beson- 
Vgl. das sog. Wer- (Mann-) gelb.
	        
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