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ihm der Maurusier Zerkon, und dieser versetzte durch seine Gestalt,1)
Stimme, Kleider und die vermengt von ihm vorgetragenen Lieder alle in
Heiterkeit. Denn er mengte Lateinisch, Hunnisch und Gotisch durchein¬
ander. Alle brachen in ein unauslöschliches Gelächter aus, nur Attila
nicht. Denn dieser blieb unbewegt, mit unverändertem Gesichtsausdruck,
und nie sah man ihn etwas sagen oder tun, was Heiterkeit zeigte. Nur
als der jüngste seiner Söhne, Ernak mit Namen, eintrat und sich neben
ihn stellte, faßte er ihn an die Wange und richtete zärtliche Blicke auf ihn.
Als ich meine Verwunderung aussprach, daß er auf seine übrigen Kinder
weniger achte, da erzählte mir der neben mir sitzende Barbar, welcher
Lateinisch verstand, nachdem er mich gebeten, nichts davon auszuplaudern:
die Wahrsager hätten dem Attila prophezeit, sein Geschlecht werde sinken,
durch diesen Sohn aber sich wieder erheben. — Als nun das Gelage sich
bis in die Nacht hinein ausdehnte, entfernten wir uns, da wir auf die
Dauer bei dem Trinken nicht ausharren wollten.
Als es Tag geworden war, gingen wir zu Onegefios und sagten,
man möge uns entlassen, wir dürften nicht länger verweilen. Er er¬
widerte, auch Attila wolle uns entlassen. Bald darauf hielt er eine Be¬
ratung mit den Häuptern über die Entschließungen des Attila und setzte
den an den Kaiser gerichteten Brief auf unter Beistand von Sekretären.
Unterdessen lud auch Kreka, die Gemahlin des Attila, uns in das
Haus des Adames, der die Verwaltung ihrer Geschäfte hatte, ein zum
Mahle. Und da wir zugleich mit einigen Häuptern des Volkes zu diesem
kamen, fanden wir freundliche Aufnahme. Er empfing uns mit schmeicheln¬
den Worten und mit festlicher Mahlzeit. Jeder der Anwesenden erhob
sich, reichte mit skythischer Höflichkeit uns einen vollen Becher, und wenn
man ausgetrunken, umarmte und küßte er einen und nahm den Becher
zurück. Nach dem Essen begaben wir uns in das Zelt und legten uns
schlafen. Tags darauf lud uns Attila wiederum zum Gelage, und in der
früheren Weise gingen wir zu ihm hinein und nahmen an dem Schmause
teil. Es geschah aber, daß auf dem Ruhebette mit ihm nicht der ältere
von seinen Söhnen saß, sondern Osbarsios, seines Vaters Bruder. Wäh¬
rend des ganzen Gelages unterredete er sich freundlich mit uns und hieß
uns dem Kaiser-) sagen, er möge dem Constantius, der von Astius ihm als
Geheimschreiber geschickt war, die Gemahlin geben, welche er ihm ver¬
sprochen habe. Tenn der Kaiser hatte dies zugesagt. Attila fügte hinzu,
Constantius dürfe in seiner Hoffnung nicht getäuscht werden, und einem
Kaiser gezieme es nicht, zu täuschen. Diesen Auftrag gab aber Attila, weil
Constantius ihm Geld versprochen hatte, wenn ein Weib von den Reichsten
bei den Römern ihm vermahlt würde. Gegen Nacht verließen wir das
Mahl. Nach Verlauf von drei Tagen wurden wir, mit den geziemenden
Geschenken beehrt, entlassen.
x) Zerkon aus Afrika, der von den Hunnen gefangen worden, war
„klein, höckerig, hatte verdrehte Füße, eine eingedrückte Nase und ausgestülpte
Nasenlöcher".
2) Theodosius II., Sohn des Arkadius, reg. 408—450.