Full text: Lesebuch für landwirtschaftliche Fortbildungsschulen im Königreich Sachsen

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und stattlich zu Pferde sitzt; wie frisch und arbeitsfreudig er von früh 
bis spät drauf und dran ist und wie er gepflügt und die Furchen gelegt 
hat, eine um nichts breiter als die andere und alle so schnurgerade, daß 
man in Haarbreite eine Büchsenkugel an jeder hinschießen könnte; vor 
allem aber, wie brav und wacker er ist, weich ein Herz in ihm steckt; ja, 
das weiß er sicher, der wird dem uralten, unbefleckten Namen seiner 
Familie keine Schande machen. „Na ade Kinners, seht to, dat jy't got 
kriegt,“ ruft er zum Abschiede. „Ade, Herr,“ ruft der Großknecht zurück. 
So verläßt er seinen Acker, sich wieder dem Dorfe zuwendend. 
Zwölf Uhr ist in jedem Hause stehende Essenszeit. Seit einer halben 
Stunde sind auch die Pflüger heimgekehrt, und eifrig wühlen die Pferde 
in den vollen Krippen. Von den Lippen einer Magd ertönt abermals 
hell der herzerfreuende Ruf: „Rinkamen! Wat eten!“ — Alles eilt an 
den Soot (Brunnen), Hände und Gesicht zu waschen, dann in die Gesinde— 
stube, wo auf blanker, mächtiger Zinnschüssel ein wahrer Berg von 
„Klütjen“ (Klößen), Kartoffeln und Wurzeln und dabei auf einer andern 
Schüssel ein paar dicke, leckere Speckstreifen dampfen. Der Großknecht 
führt wie immer den Vorsitz, schneidet Brot und teilt den Speck, ihm 
zunächst sitzt der zweite Knecht, dann die Jungen, dann die Tagelöhner 
und an der anderen Seite die Mägde nach ihrer Dienstzeit im Hause. 
In der Wohnstube ißt die Familie des Hauses ebenfalls sehr ein⸗ 
fache, derbe Kost, oft dasselbe, was die Leute bekommen, wohl etwas 
feiner zubereitet. 
Bis zwei Uhr ist Rastzeit, denn die Pferde müssen doch mit Ruhe 
fressen. Die Mägde waschen die Schüsseln, die anderen Leute ruhen oder 
schlendern umher; Vater und Mutier schlafen ein Stündchen, und der 
Sohn nimmt vielleicht ein Buch zur Hand. 
Bald ist alles von neuem in Tätigkeit. Die Diele dröhnt wieder 
vom Takt der Drescher, später vom rollenden Getöse der Staubmühle, 
denn noch heute soll das letzte reine Korn auf den Boden. 
Vater und Mutter sind auch wieder da; gegen drei Uhr bringt die 
Tochter den Kaffee und nimmt eine weibliche Handarbeit vor. Neben 
ihr sitzt die wieder emsig spinnende Hausfrau; der Alte schlürft behaglich 
zur langen Pfeife den Inhalt seiner großen Geburtstagstasse, schlendert 
hierhin und dorthin und sieht wohl später mit Kreide und Streichholz in 
der Hand auf der Diele, das Getreide aufmessend. 
So wird's Abend; das Pferdegetrappel meldet die heimkehrenden 
Ackerer, und bald sitzen die Leute wieder um ihre Schüssel mit der Äbend— 
milchspeise. Wie schon vom Mittagsmahl regelmäßig ein paar arme 
Kinder des Dorfs ihr Teil erhielten, so sehen wir auch jetzt wieder einige 
derselben in der Küche oder auf dem Vorplatz ihre Teller leeren. Auch 
ein Töpfchen voll süßer Milch bekommen sie mit nach Hause für ihre 
Eltern, denn jeder ördentliche Bauernhof hat immer einige bestimmte 
Arme, die sich auf ihn stützen und tausend Wohltaten von ihm genießen. 
Der kleine Rest des Abends wird auf verschiedene Weise hingebracht. 
Die Tagelöhner verlassen den Hof; in behaglich warmer Gesindestube
	        
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