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wahrlich kein Verbrechen. Warum soll er nicht seine
Verwandten lieb haben, auch wenn wir sie nicht lieben?
Bewiesen aber soll es erst noch werden, daß er insgeheim
mit den Vertriebenen unter derselben Decke spielt. Was
er bis jetzt gethan hat, hat er öffentlich gethan, und ein
jeder weiß es; dabei ist nichts, was ihm einen Vorwurf
eintragen könnte. Und stolz soll der Mann sein und den
Handwerker verachten? Ja, wenn er stolz wäre, hätte er
wohl Ursache dazu; aber er ist es nicht. Wißt Ihr noch,
als im vorletzten Winter, als die Weser hoch ging, das
Söhnchen des Lohgerbers Peters an der Schlachtpforte
in den Strom fiel? Vasmer kam gerade mit seinem
Wagen dort vorbei; neben ihm saß sein Sohn Heinrich.
Wer war es, der sich da ins Wasser stürzte, um das
Söhnlein des Handwerkers mit Gefahr seines eigenen
Lebens zu retten? War es nicht der junge Vasmer?
Und brachte nicht der Bürgermeister selbst das kaum noch
atmende Kind auf seinen Armen den Eltern ins Haus
und ging nicht eher fort, bis es zum Leben erwacht war?
Meine Freunde, ein Mann, der so handelt, kann nicht
stolz sein!"
Laut riefen die Böttcher ihrem Innungsmeister
Beifall, als er fo gesprochen, und ein junger Meister
sprang auf den Tisch, hob seinen Bierkrug hoch empor
und rief: „Die Tonnenmacherzunft hält es mit dem
Vasmer, dem Vater der Stadt und dem Freunde der
Bürger! Hoch Vasmer, hoch fein ganzes Haus!" „Hoch!
hoch!" schrieen die Böttchermeister, indem sie alle ihre
Krüge erhoben und jubelnd leerten, und die Knochenhauer
thaten zögernd dasselbe; denn sie waren in der Minder¬
heit und wußten, es konnte für sie schlimm werden, wenn
sie sich nicht fügten. Nur Grumme blieb trotzig sitzen,
trank sein Bier aus und verließ murrend die Herberge;
die Enttäuschung und die Niederlage waren für ihn zu
bitter gewesen. Nach und nach machten sich auch die
übrigen Knochenhauer davon; sie sahen ein, bei den
Böttchern war nichts zu machen, die waren für ihre
Pläne nicht zu gewinnen.