Full text: Der schwarze Herzog (7)

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tief auf. Marie hatte sich mit einem Strickzeug ans 
Fenster gesetzt, um das schwindende Tageslicht noch so viel 
wie möglich auszunutzen; sie blickte bisweilen mit fragendem 
Auge zu dem Fremden hinüber, denn sie sah, daß er mv 
glücklich war, und sie hatte Mitleiden mit ihm. Deshalb 
sagte sie, als wiederum ein tiefer Seufzer sich der Brust 
des Fremdlings entrang: „Ihr scheint einen schweren 
Kummer zu haben; ich will nicht eindringen in Eure 
Geheimnisse, aber vielleicht erleichtert es Euer Gemüt, 
wenn Ihr mir mitteilt, was Euch so unglücklich macht. 
Wollt Ihr mir nicht sagen, was Euch drückt?" Betroffen 
blickte der Fremde das Mädchen an; einen Augenblick 
blitzte es in seinen Augen zornig auf, als er durch die 
Worte der Jungfrau in seinem finstern Dahinbrüten gestört 
wurde. Als er aber Thränen des Mitgefühls in den 
hellen Augen derselben sah, da merkte er, daß es nicht 
Neugier war, die ihr die Worte in den Mund gelegt hatte, 
und er sagte sanft: „Ihr habt Recht, Jungfer, ich bin 
ein armer Mann, und ich will es Euch wohl sagen, 
was mich so unglücklich macht. Seht, einst nannte ich ein 
schönes Haus und ein gutes Geschäft mein eigen; ein 
liebes Weib stand mir zur Seite und zwei blühende, herzige 
Knaben bildeten ihr und mein ganzes Glück. Da aber 
kam der böse, böse Krieg; mein Haus wurde zerstört, mein 
Geschäft ging zu Grunde, nichts, gar nichts konnte ich 
retten, und, was das Schlimmste war, mein armes Weib 
starb bald daraus aus Kummer über unser Unglück. Um 
nun meinen beiden verwaisten Kindern wieder eine Heim¬ 
stätte gründen zu können, war ich genötigt, abermals den 
Wanderstab in die Hand zu nehmen, und so ziehe ich denn 
als Handwerksbürsche wieder von Stadt zu Stadt, um mir 
Arbeit zu suchen. Seht, das ist mit kurzen Worten meine 
Geschichte. Ihr könnt es Euch wohl denken, wie schwer 
es mir geworden ist, mich von meinen beiden Kindern zu 
trennen; denn sie sind jetzt vaterlos und mutterlos". Die 
schlichten einfachen Worte des Handwerksgesellen, die den 
Stempel der Wahrheit trugen, rührten Marie tief; sie 
beugte sich auf ihr Strickzeug und weinte. Als das der
	        
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