184 Rütli 1307. Wilhelm Tell.
Bau?" fragte er den biederen Stauffacher. Der antwortete
vorsichtig: „Meinem Herrn, dem Kaiser, und euch, dem
Stellvertreter des Kaisers, und mir als des Reiches Lehen."
Da sprach Geßler finster und herrisch: „Ich bin für meinen
Herrn der Fürst im Lande, und ich mag nicht dulden, daß
ein Bauer ohne meine Erlaubnis solche Häuser baue. Euch
steht es nicht an, wie Herren frei zu fein; fortan werde ich
es euch wehren." Stauffacher erkannte den Sinn dieser
Drohung, und ermuntert von seinem hochherzigen Weibe,
ging er hinüber zu Walther Fürst, um mit ihm zu beraten,
wie das Land von seinem Drucke befreit werden könne.
Er traf auch dort den Arnold Melchthal. Die drei Männer
entschlossen sich, die allgemeine Gärung des Landes zur
Abschüttelung des Joches zu benutzen. Am 7. November
1307 kamen sie während der Nacht auf dem Rütli oder
Grütli, einem von Felsen eingeschlossenen heimlichen Platze
am Vierwaldstädter See, jeder von 10 vertrauten Männern
begleitet, zu einer Besprechung zusammen. Nach ernster
Beratung verpflichteten sich die 33 Männer durch Wort
und Handschlag, am 1. Januar des nächsten Jahres 1308
das Zeichen zum Aufstand zu geben und die Vögte zn
vertreiben, aber ohne Mord und andere verwerfliche Ge¬
waltthat.
Noch vor diesem Tage fand, nach der sagenhaften
Erzählung der Urner, der tyrannische Geßler feinen Tod
dnrch Wilhelm Tell aus Bürglen unweit Altdorf. Der
Vogt hatte auf dem Markte zu Altdorf einen Herzogshnt
auf einer Stange aufstecken laffen nnd den Befehl gegeben,
daß jeder Vorübergehende den Hut ehrerbietig grüßen
müsse, wie wenn es der Herzog von Östreich selbst wäre.
Da kam eines Tages Wilhelm Tell, der Eidam Walther
Fürsts, an dem Hute vorbei, ein Mann, der als tapferer
Schütze weit und breit in den Bergen bekannt war. Der
weigerte sich, den Hut zu grüßen. Als Geßler dies hörte,
ließ er Tell ergreifen und befahl ihm, da er ja ein so
tüchtiger Schütze fei, feinem eignen Kinde einen Apfel vom
Kopfe zn schießen. Tell bat und flehte, ihn nicht zn so