10 B. Die Sophisten als Träger der Aufklärung
zu überreden..». Die Redekunst ist die Meisterin der Überredung, ihr ganzes
Geschäft und Wesen läuft darauf hinaus.1
3. Aus dem „Lob der Helena“ § 13 f:2 „tDeil die Überzeugungskraft
der Rede auch die Seele formt, wie sie will, muß man erstens die Reden
der Physiker studieren, die dadurch, daß sie einen Glauben beseitigen und
ihn durch einen anderen ersetzen, das Unglaubliche und Unbekannte den
klugen des Glaubens erscheinen lassen. Zweitens muß man die prozeßreden
studieren, in denen ein einziger Dortrag eine große Menge erfreut und über¬
zeugt, wenn er nur kunstgemäß vollendet, wenn auch nicht der Wahrheit
gemäß verfaßt ist. Drittens die Reden der Philosophen, hier zeigt sich in
der leichten Veränderlichkeit der Beweise die Schnelligkeit der Geister. Die
Kraft der Rede steht zur Stimmung der Seele3 in demselben Verhältnis wie
die Eigenschaften der giftigen Arzneimittel zur Natur des Körpers. Denn
gleichwie bestimmte Gifte bestimmte Säfte aus dem Körper ausscheiden und
das eine Gift die Krankheit, das andere das Leben beendigt, so bewirken
auch die Reden teils Trauer, teils Freude, teils Furcht, teils TTtut, teils auch
vergiften und verzaubern sie die Seelen der Hörer durch Überredung zum
Schlechten."
4. Aus der Techne des Gorgias. Aristoteles Rhetorik III, 18, 1419b 3:
Den Ernst der Gegner muß man durch fachen, ihr fachen durch Ernst zu¬
nichte machen.
5. [Frg. 26] Das Sem ist etwas Unerkennbares, das keinen Anteil
am Scheinen hat; das Scheinen ist etwas Schwaches, das keinen Anteil am
Sein hat.4
1 Die sophistische Beredsamkeit hat in der Tat die Athener zu der Mei¬
nung veranlaßt, man könne einen Staat durch Heden regieren. „Sie, denen es
nicht auf das wahre, sondern auf das Wirksame, nicht auf das Gute, sondern
auf das Angenehme ankam, hatten schließlich die Leitung des Staates in der
Hand und führten ihn an den Rand des Verderbens." vgl. Windelband,
Plato, S. 150.
8 Die (in ihrer (Echtheit stark verdächtige) Helena ist abgedruckt Viels,
S. 249, Nestle, S. 198.
3 Dadurch, daß die Sophisten Wesensart und Stimmung des Hörers genau
studieren mußten, haben sie sich um die Psychologie große Verdienste erworben.
4 Dem beredten Gorgias reiht sich prodikos an, dessen Mythos Herakles
ant Scheidewege in der Nachbildung Xenophons erhalten ist (Memorabilien II,
1, 21). prodikos war der konservativste unter den Sophisten. Seine Moral der
Arbeit erinnert an die besten Traditionen der Vergangenheit, vgl. hesiod Tage
und Werke v. 285. Bet ihm erscheint der Relativismus der Sophistik im
günstigsten Lichte: die Dinge sind für uns das, was wir aus ihnen machen;
z. B. der Reichtum. Formal weist er sich als Sophist mit folgender Beschwichti¬
gung der Todesfurcht aus: Der Tod berührt weder die Lebenden noch die Toten.
Jene nicht, weil sie noch leben; diese nicht, weil sie nicht mehr sind.