14. Trust Moritz Krudt in Wilna 15
Marsch von 50 Tagen schrecklich ermüdet, ihre Kranken und in so viel Ge¬
fechten verwundeten mit sich führend, bedurfte des Augenblicks, wo sie
ihre Magazine erreichen konnte. . . .
Alle verwundeten Offiziere und Soldaten, alles, was auf dem
Wege aufhält, Gepäck u. s. w., ist nach Wilna geschickt worden.
während der ganzen Bewegung der Armee marschierte der Kaiser
beständig im Mittelpunkte seiner Garde. . . Se. Majestät sind mit dem
guten Geiste zufrieden gewesen, der die Garde beseelt hat; sie hat sich be¬
ständig fertig gezeigt, in jedem erforderlichen Fall sich dahin zu begeben,
wo es die Gefahr verlangt haben würde; aber die Umstände sind immer
so beschaffen gewesen, daß ihre bloße Gegenwart hingereicht hat und
sie nie in den Fall gekommen ist, zu schlagen. . .
Unsere Kavallerie war dergestalt unberitten, daß man sich ver¬
anlaßt gefunden hat, alle Offiziere, denen noch ein Pferd übrig blieb, in
ein Korps zu vereinigen, welches 4 Kompagnien, jede von 150 Mann,
bildete. Die Generale verrichteten in diesem Korps Hauptmannsdienste,
die Obersten Lieutenantsdienste. Diese heilige Schaar, unter dem Kom¬
mando des Generals (Braucht) und unter den Befehlen des Königs von
Neapel stehend, verlor den Kaiser, bei allen Bewegungen, nicht aus dem
Rüge.
Die Gesundheit Sr. Majestät ist nie besser gewesen.
14. Ernst Moritz Arndt in tDilna.1)
wir2) fuhren den 11.Januar spät Abends in Wilna ein. [Die Stabt]
kam mir vor wie eine tatarische Hölle. Allenthalben ein scheußlicher1
Schmutz und Gestank; schmierige Juden; einzelne unglückliche Gefan¬
gene, meistens verwundete oder halbwiederhergestellte, jämmerlich um¬
herschleichend; alle Straßen in garstigen Rauch und Dampf gehüllt, denn
fast vor jedem Haufe hatte man allerlei brennbare Sachen, selbst nur ge¬
wöhnliche Misthaufen, angezündet, um die Pestluft der vielen Lazarethe
und Seuchen zu zerstreuen, und diese Haufen dampften Tag und Nacht;
auf den Straßen hie und da französische Kokarden, beschmutzte Feder-
büsche, zerrissene hüte und Tschakos liegend und in der Demut des Stau¬
bes und der Sertretung an den Trotz derer erinnernd, die vor fünf Mo¬
naten in ganz anderer Gestalt mit ihnen durch Wilna stolziert waren.
Ich ging aus dem Thore hinaus und schlenderte ein paar grauenvolle
Stunden durch die Vorstädte, . . . welche Gräuel! Jene Zeichen, die ich
in der Stadt gesehen, immer dichter nebeneinander liegend, allenthalben
noch einzelne ganz nackte Leichen, tote Pferde, Ochsen, Hunde, treue und
1) Aus <£. m. strnöt, (Erinnerungen aus dem äußeren Leben. 1840.
2) Der Freiherr vom Stein unö„flrnöt.