20 Lobrede auf den König Friedrich den Großen.
ungewöhnliche Feuer seiner Operationen zu einem andern
Irrtum. Diese anscheinende Hitze, womit er so schnell
jeden kommenden Frühling aufbrach; diese ungeduldige Eile,
womit er oft schon ein Heer geschlagen hatte und vor den
Hauptstädten der Provinzen lag, wenn sie ihn kaum über
den Grenzen glaubten; diese reißende Gewalt, womit er
in einem einzigen Feldzuge die feindliche Macht, wie der
Sturmwind die Wolken, vor sich aufrollte, von ihren Bergen,
an? bren Nerschanzungen stürmte, in die Hauptstadt zu—
10 sarcrreß, belagerte, über Felsen und Ströme unter
taui⸗ad Cefehren einen andern Feind suchte, ihn sah und
ine e Winde zerstreute; durch neue Provinzen einer noch
n, siegreichen Macht entgegenging, sie angriff, ver—
ni e, alles, was das Schwert nicht fraß, in den Schnee
15 der Sbirge jagte und nicht eher als nach Eroberung einer
Hauptstadt und eines ganzen feindlichen Heeres ruhte: diese
erstaunenswürdige Hitze, Eile, Gewalt, was lüßt sie anders
als den entschiedensten Charakter eines Kriegers mit aller
ihm eigenen Rauhigkeit, Wildheit, Härte vermuten? Wahr—
20 lich, kein Nexander Griechenlands oder Nordens, wie sehr
seine Leidenschaft Krieg, und Geräusch der Waffen seine
Wollust war, ist je mit so ungestümem Feuer von Schlacht
zu Schlacht, von Siege zu Siege geeilt als dieser so ge—
fürchtete, schreckliche — friedliebende Weise, der, weil er
25 alles ist, was er will, auch das in der Vollkommenheit
war, was ex nur aus Notwendigkeit wollte, das, was mit
den natürlichen Neigungen seines Herzens vielleicht am
meissten streitet, ein Feldherr. Denn betrachte man ihn,
wo er völlig sich selbst gelassen handelt, in seiner Familien—
30 liebe und Freundschaft, in seinen Vergnügungen, in den
Arbeiten seiner müßigen Augenblicke: wo ist da Spur
oder Verdacht eines wilden, kriegerischen Geistes? Blickt
nicht vielmehr überall ein sanfter, zärtlicher, oft bis zum
20) Nordens — des Nordens.
32) Verdacht — die geringste Andeutung, aus dem fran—
zösischen soupçon entlehnt, bei Lessing in ähnlichem Sinne „Argwohn“.
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