Full text: [Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband]] (Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband])

130 
Beine, darauf setzt' ich den Ellenbogen; ich hatt' auf meine Hand 
gestützt das Kinn und eine Wange: da dacht' ich sorglich lange dem 
Weltlauf nach." 
Einige Sprüche sind rein erzählend, indem ein Vorgang um seiner 
selbst willen dargestellt wird, wie König Philipps Weihnachtsfest zu 
Magdeburg. Aber in manchen Sprüchen schlägt nur der Eingang einen 
erzählenden Ton an und macht ein Gedicht dadurch volkstümlicher, wie 
das eben angeführte „Ich saß auf einem Steine" oder „Ich hört' ein 
Wasser rauschen." Oder die Erzählung verbindet sich mit Handlung: 
Personen werden redend eingeführt. Dramatisch wirkt auch die unmittel¬ 
bare Anrede, mit der er sich an den Kaiser, den Papst, die Fürsten oder 
andere Personen wendet. 
Reiht sich dergestalt Walter mit seinen Sprüchen den Spielleuten 
an, indem er eine Stellung erringt, wie sie nie ein Spielmann vor ihm 
oder nach ihm besessen, so verleugnet er in seinen Liedern nirgends den 
Edelmann. Und die Eigenschaften, die ihn im Spruch auszeichnen, finden 
sich zum Teil auch im Liede wieder. Er ist lebhaft, anschaulich, zuweilen 
derb, wird zornig und flucht und zeigt sich in allen diesen Zügen als ein 
rechter Sohn des bajuvarischen Stammes. 
94. Der Sängerkrieg aus cter Marlburg. 
Von Hlbert Richter. 
Deutsche Sagen. Leipzig 1874. 8. 308. 
3nt Jahre 1206 lebten auf der Wartburg am Hofe Hermanns, des 
Landgrafen zu Thüringen und Hessen, sechs edle und berühmte 
Sänger: Herr Heinrich, genannt der tugendhafte Schreiber, Herr Walter 
von der Vogelweide, Herr Reinmar, Herr Wolfram von Eschenbach, alle 
ritterlichen Standes; der fünfte war Biterolf, einer von des Landgrafen 
Hofgesinde, der sechste Heinrich von Ofterdingen, ein Bürger aus der 
Stadt Eisenach und von einem frommen Geschlechte. Diese sechs Meister 
gerieten in Streit über die Tugenden und Vorzüge etlicher Fürsten vor¬ 
einander, besonders aber des Herzogs Leopold von Österreich und des 
Landgrafen Hermann von Thüringen. Sie kämpften aber nicht mit den 
Schwertern, sondern mit ihren Liedern gegeneinander, flochten auch artige ' 
Rätsel in ihren Gesang, die sie meist der Heiligen Schrift entlehnten. 
Die Lieder aber, die sie damals sangen, sind bis auf unsere Tage ge¬ 
kommen und heißen „Der Krieg von Wartburg". 
In diesem Kampfe trat Heinrich von Ofterdingen allein gegen die 
andern alle auf. Denn während die andern den Landgrafen Hermann 
besangen und ihn mit dem Tage verglichen, pries Heinrich von Ofter¬ 
dingen in seinen Liedern den Herzog Leopold von Österreich und verglich 
ihn vor allen andern Fürsten mit der Sonne.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.