II. Die sächsischen Könige und Kaiser 919 —1024.
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erstarkte herzogliche Gemalt wieder beseitigen zu können, und begnügte
sich deshalb damit, seine Anerkennung als König von den Herzögen zu
erzwingen und damit die Auflösung des Reiches zu verhüten. Den
Schwabenherzog zwang Heinrich I. durch Waffengewalt zur Unter¬
werfung; deu Herzog von Bayern gewann er auf friedlichem Wege für
seine Anerkennung. Auch Lothringen, das sich unter Konrad I. von
Deutschland getrennt und vorübergehend den: westfränkischen Reiche
angeschlossen: hatte, gewann er zurück und vermählte dem Herzoge
Giselbert seine Tochter. So ist Heinrich I. der Wiederhersteller
der Einheit des deutschen Reiches geworden.
Die Hauptplage des Reiches waren die Ungarn. Als diese in
Sachsen einfielen, gelang die Gefangennahme eines ihrer Führer. Hut
denselben frei zu kaufen, bewilligten die Ungarn deut Könige gegen
Zahlung eines jährlichen Tributs einen neunjährigen Waffenstillstand
für Sachsen. Diese Zeit der Ruhe benutzte König Heinrich zu um¬
fangreicher Rüstung, damit er nach Ablauf des Waffenstillstandes stark
genug wäre, es mit den Ungarn aufzunehmen. Um den ersten An¬
prall der feindlichen Reiter abzuhalten, legte er in den östlichen Marken
eine Reihe sester Burgen an. Immer der neunte Mann der dienst¬
pflichtigen Mannschaft mußte abwechselnd als Besatzung die Burg be¬
ziehen. Ein Drittel alles gewonnenen Getreides wurde dorthin ge¬
liefert, da in den Zeiten der Not die ganze Landbevölkerung hinter
den Mauern derselben Schutz finden sollte. Um diese Burgen sind mit
der Zeit Städte entstanden, wie Quedlinburgs, Rordhaitsert2),
Goslars und Merseburgs). — Da das Fußvolk des allgemeinen
Heerbannes sich als weniger tauglich zum Kampfe gegen die ungarischen
Reiterscharen erwiesen hatte, so verpflichtete der König seine Dienst¬
mannen zum Kriegsdienst zu Pferde und wurde dadurch der Schöpfer
eines Reiterheeres, hinter welchem das allgemeine Aufgebot des
Volksheeres mehr und mehr zurücktrat. Um seine neue Wehr zu
prüfen und zu üben, zog er gegen die Wenden, eroberte in einem
Winterfeldzuge die Hauptfeste der Heveller Brennaboro), unterwarf
die slavischen Stämme bis zur Oder und begann die Kolonisation
und die Germanisierung des Wendenlandes. Auch der Herzog
von Böhmen wurde zur Anerkennung der deutschen Oberhoheit ge¬
zwungen.
So vorbereitet konnte König Heinrich gutes Mutes den Ungarn
entgegentreten. Als er die weitere Tributzahlung verweigerte, fielen
lie wieder ins Reich ein und drangen plündernd bis nach Thüringen
1) Quedlinburg liegt an der Bode.
2) Nordhausen liegt an der Zorge, einem Nebenflüsse der Helme in der
goldenen Aue.
3) Goslar liegt nördlich vom Harz, nicht weit von der Quelle der Oker.
4) Mersebnrg liegt an der Saale, südlich von Halle.
5) Brennabor, heute Brandenburg, liegt an der Havel.
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