70
Vierter Zeitraum. Vom Interregnum bis zum Ausgang des Mittelalters.
1322 Waffenkampf zwischen den beiden Königen kam zwar im Jahre 1322
durch die Schlacht bei Mühldorfs zu seinem Ende, indem Friedrich
geschlagen, gefangen genommen und auf die Burg Trausnitz?) ge¬
führt wurde, doch war damit die Sache selbst nicht entschieden, da
Friedrichs Bruder den Kampf mit Glück fortführte. Endlich gelang
es Ludwig, seinen gefangenen Gegner selbst zum Verzicht auf die Krone
zu bewegen und seinen Bruder Leopold zur Niederlegung der Waffen
zu bewegen. Friedrich wurde freigelassen; da aber Leopold im Wider¬
stände gegen Ludwig verharrte, kehrte jener freiwillig in die Gefangen¬
schaft zurück. Um zum Kampfe mit dem Papste freie Hand zu haben,
einigte sich Ludwig endlich mit Friedrich zu gemeinsamer Regierung.
Doch hat Friedrich, wenn er auch bis zu seinem Tode 1330 den
Königstitel führte, eine wirkliche Macht im Reiche, zumal nach dem
Tode Leopolds, nicht ausgeübt.
Der Kampf mit dem Papste. Die Päpste residierten damals
zu Avignon b), gänzlich abhängig von den französischen Königen. Man
nennt diese Zeit die babylonische Gefangenschaft der Kirche
(1305 — 1377). Auf dem päpstlichen Stuhle saß Johann XXII.,
der die Entscheidung des Thronstreites verlangte, da es dem Papste
zustehe, bei einer zwiespältigen Königswahl im Reiche die Entscheidung
zu treffen. Als sich Ludwig nicht fügte, that er ihn in den Bann
und belegte Deutschland mit dem Interdikt. Diese Maßregel hatte
aber in Deutschland keine volle Wirkung mehr, zumal da sich der beim
Volke einflußreiche Orden der Franziskaner Mönche, der die Besitz¬
losigkeit der Geistlichen predigte und deshalb mit der herrschenden
Kirche zerfallen war, auf die Seite des Königs gestellt hatte. So
konnte Ludwig, von der kaiserlichen Partei (den Ghibellinen) ge¬
rufen, nach Italien ziehen. In Mailand empfing er die lombardische
Königskrone und in Rom ans der Hand eines römischen Adligen aus
dem Hause Eolonna im Namen des römischen Volkes die Kaiserkrone.
Johann XXII. wurde für abgesetzt erklärt und ein Gegenpapst ein¬
gesetzt. Gleichwohl bemühte sich der Kaiser um eine Aussöhnung mit
dem Papste; doch kam diese durch den Einfluß des französischen Königs
nicht zu stände.
Um die Unabhängigkeit der deutschen Krone aufrecht zu erhalten,
1338 erklärten die Kurfürsten im Jahre 1338 in dem Kurverein von
Renfe4), daß der durch die Mehrheit der Kurfürsten erwählte König
der Bestätigung des Papstes nicht bedürfe — eine Erklärung, welche
im ganzen Reiche mit großem Beifall aufgenommen wurde. Aber
durch seine Ländergier verdarb es der Kaiser wieder mit den deutschen
Fürsten und gab dem Papste Anlaß zu erneutem Angriffe.
1) Mühldorf liegt am Inn bei Ampsing.
2) Trausnitz liegt in der Oberpfalz.
3) Avignon liegt an der unteren Rhone.
4) Rense liegt ans dem linken Rheinufer, südlich von Coblenz.