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&ilber aus der deutschen Geschichte.
Benedettl nach Ems wo König Wilhelm gerade weilte, und forderte, der König möge
dem Prinzen von Hohenzollern die Annahme der spanischen Krone verbieten. Diese
Forderung lehnte jedoch der König ab unter dem Hinweis, daß der Prinz selbständig sei
Vrin, thun habe. Immer höher stieg der Kriegstaumel in Paris.
Pnnz -eopold der sich den Vorwurf ersparen wollte, daß seine Person die Ursache
eines verderblichen Krieges werde, verzichtete auf die spanische Krone. Jedermann
nahm nun au, dn? damit alle Ursache zum Krieg beseitigt sei. Aber man wollte
den Krieg und durste sich deshalb die willkommene Gelegenheit dazu nicht entgehen
lassen. Nochmals erschien Benedetti im Auftrag seines Kaisers vor König Wilhelm
nnd verlangte von diesem die Erklärung, daß er niemals gestatten werde, daß ein
Hohenzoller ans den spanischen Tyron berufen werde.
dM Recht wies der König dies beleidigende Ansinnen zurück. Als der frau-
Zopsche Gesandte den Versuch machte, den König aus seinem Spaziergange nochmals
mit dieser Frage zu behelligen, ließ er ihm sagen, daß er nichts mehr init ihm zu
verhandeln habe. Die Franzosen gerieten über diese wohlverdiente Zurückweisung ihres
Gesani. ten nt helle Wut. Ganz Paris verfiel in einen Kriegstaumel. Bandeu durch¬
zogen die Straßen uud schrieen: „Es lebe der Krieg! Nieder mit Bismarck'" Die
französische Kammer bewilligte nach kurzer Verhandlung die Mittel zur Kriegführung
Nur wenige Männer gab es. die besonnen genug waren, vor dem Krieg zu warnen!
1 ^IC'C virdersetzten sich dem Kriege nur, weil sie den rechten Zeitpunkt nicht
für gekommen erachteten. - König Wilhelm erkannte den Ernst der Lage. Er reiste
sofort nach Berlin zuruck, ©eilte Reise glich einem Huldigungszuge. Überall fanden
Kundgebungen statt, welche bewiesen, daß man seine Zurückweisung französischer %=
Dringlichkeit billige. Selbst in den neuerworbenen Provinzen eilten Tausende au die
Bahnhose, um durch ihr begeistertes Hurra dem König zu beweisen, daß sie eben so
freudig wie die alten Provinzen Gut uud Leben einsetzen wollten für die Ehre und
Unabhängigkeit Deutschlands. Am 19. Juli wurde die französische Kriegserklärung
in Berlin überreicht. 9
Der Aufmarsch. Die Vorbereitungen zur Mobilmachung waren in Deutschland
durch v. Moltke uud deu Kriegsminister v. Roon so musterhaft getroffen, daß schon
14 Tage nach der Einberufung 400000 Mann schlagfertig am Rheine standen.
Anch die Fürsten Süddeutschlands, voran
der ritterliche, von echtdeutschem Geiste be¬
seelte König Ludwig II. von Bayern, hielten
treu an dem geschlossenen Bündnis und
stellten ihre Truppen mtter deu Oberbefehl
des Königs voit Preußen. So einig war
Deutschland noch nie gewesen. Selbst von
den Deutschen im Auslande liefen begeisterte
-r Kundgebungen ein. Opferfreudig eilte die
^Jugend unter die Fahnen; die Zurück-
| bleibenden aber bildeten Vereine zur Vor-
i sorge für die Verwundeten und Kranken.
' Dichter, wie Ferdinand Freiligrath, ©mannet
| Geihel, Badenstedt, Geros it. a., gaben der
Volksstimmung poetischen Ausdruck, und
allenthalben ertönte die „Wacht am Rhein",
ein Lied, das mit einem Schlage zum
deutschen Nationallied geworden war. —
Auch in Frankreich herrschte Begeisterung,
aber in ganz anderer Weise als in Deutschland.
Während man hier in ernster und zielbewußter Arbeit sich sammelte, mit das Heiligste
mit dem Schwerte zu schützen, sprach man dort in leichtfertiger Weise von einem
„Spaziergang nach Berlin". Aber das französische Heer war nicht „erzbereit", wie
der Kriegsminister leichtfertig versichert hatte. Die Rüstungen waren noch nicht
t>. Molike.