58 Bilder aus der deutschen Geschichte. 
und Dörfer niedergebrannt und die Ernten zerstört. Das Wild wie die Jagd war 
den Saaten verderblich, nud die persönlichen Leistungen in Form von Frondiensten, 
Steuern, Zehnten und anderen Abgaben waren endlos. Dabei war der gemeine 
Mann ohne Recht und Schutz den härtesten und entehrendsten Strafen ausgesetzt. 
Städtebündnisie. Der rheinische Städtebund. Durch den Aufschwung 
des Handels und Verkehrs sowie die Blüte, zu welcher sich das Handwerk während der 
Kreuzzüge emporgeschwungen hatte, waren die Städte zu Reichtum und Macht gelangt. 
Die Unsicherheit der Straßen wie die Belästigungen, denen die Kaufleute überall unter- 
morsen wurden, lähmten ihren Handel und drohten ihren Wohlstand zu vernichten. Nicht 
allein, daß man durch Zollschranken die Straßen und Flüsse versperrte, das Schiff, das 
an der Klippe zerschellte, der Frachtkahn, der auf den Grund geriet, der Wagen, welcher 
mit der Achse die Ltraße berührte, die herabgefallene Ware, alles war den Herren und 
Bewohnern des Landes verfallen. Jede Bergung um Lohn war untersagt, ja, das Selbst¬ 
geborgene wurde den Schiffbrüchigen entrissen. Es war deshalb nur ein Akt der Selbst¬ 
hilfe, als 1254 die Städte Mainz, Oppenheim und Worms zusammentraten, um 
bei der allgemeinen Unordnung und Unsicherheit einen Bund zu gründen, der die Aufgabe 
haben sollte, den Landfrieden aufrecht zu erhalten, die Wehrlosen zu schützen, das Eigen¬ 
tum zu sichern und die Friedensbrecher zu strafen. Bald traten diesem Bund auch die 
geistlichen Herren am Rhein und viele Grafen und Edle bei, fo daß derselbe binnen 
kurzem 60 Mitglieder zählte. Alle Bundesglieder waren zur Haltung bewaffneter 
Kriegsmannschaften verpflichtet, und die Städte von Koblenz abwärts sollten 50 Kriegs¬ 
fahrzeuge nebst der zur Bemannung erforderlichen Zahl von Bogenschützen bereit halten. 
Die Hanfa. Noch früher als im Westen und Süden des Reiches waren im 
Norden einzelne Städte zu Verbänden zusammengetreten, die zuletzt in dem großen nord¬ 
deutschen Städtebund der Hansa ihre Vereinigung fanden. Anfangs hatten diese Ver¬ 
einigungen leinen andern Zweck, als wie er vom rheinischen Städtebund verfolgt wurde. 
Später gingen sie jedoch über diese Grenzen hinaus, indem sie die Wahrung aller ge¬ 
meinsamen kaufmännischen Interessen als Ziel aufstellten. Das erste Abkommen fand 
1241 zwischen Hamburg und Lübeck statt. Zur Zeit ihrer höchsten Blüte zählte die 
Hansa 77 Stadtgemeinden. Nicht bloß Seestädte, sondern auch Binnenorte wie Soest, 
Münster, Braunschweig, Magdeburg u. a. gehörten dazu. Hauptorte waren Lübeck und 
Wisby (auf der Insel Gotland). Der Hansabund verfügte über eine zahlreiche Flotte 
und ein wohlgerüstetes Kriegsheer. Im Ausland gründete er Handelsniederlassungen, 
in denen Kaufleute in geschlossenen Gemeinschaften zusammenlebten. Zahlreich und 
siegreich waren die Kriege, die der Bund zu führen hatte. Die Holländer wurden in 
mehreren Seeschlachten besiegt, und in Schweden und Dänemark konnte lange Zeit kein 
König den Thron besteigen ohne Zustimmung des „Hansatags" in Lübeck. Auch unter 
den Bundesgliedern wurde strenge Ordnung gehandhabt. Eine Stadt, die ihre Pflicht 
nicht erfüllte, wurde „verhanset", d. H. aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Dies wurde 
mehr gefürchtet als Acht und Bann. 
Der schwäbische Städtebund entstand später und dehnte sich bald über 
Bayern, Frauken und die Rheinlande aus. Er erreichte sein Ende infolge der durch die 
Reformation herbeigeführten religiösen Spaltung. 
pie Kcwgcrichic. Tie alten Volksgerichte, die zur Zeit Karls des Großen im ganzen Reiche be¬ 
standen, kamen im Lauf der Jakire außer Übung. Karls Kapitularien wurden so wenig geachtet als die 
Reichsgesetze ber Hohenstaufen. Der Eottesfriebe war in Vergessenheit geraten. Weder Gotteshäuser noch 
heilige Zeiten boten Schutz vor der rohen Gewalt. Nur in Westfalen, dem „Land der roten Erde", hatte 
sich ein Siück der alten fränkischen Volksgerichte in den Femgerichten (Bon Fern — Strafe) erhalten. Sie 
waren geheim unb ein Schrecken ber libelthäter. Das Gericht würbe an ber „Malstätte", gewöhnlich unter 
einer alten Linbe ober einer Eiche, „gehegt". Der oberste Meister war ber „ Freigras", bie übrigen Mit- 
glieber hießen „Freischöffen" ober Wissenbe, weil sie bie Geheimnisse ber Feme kannten. Die Labungen 
erfolgten burch bie „Fronboten ". Fähig zum Schöffe» war jeber freie erprobte Mann. Er mußte einen feier¬ 
lichen Eib leisten, nichts zu Betraten, bann wurde er in alle Geheimnisse eingeweiht. Die Wissenden hatten 
bestimmte Zeichen, woran sie sich erkannten. War jemanb verklagt, so würbe er burch einen Brief mit sieben 
Siegeln Borgelaben. Konnte einem Verklagten, z B. einem Ritter in feiner Burg, bie Labung nicht zuge¬ 
stellt werben, fo würbe sie ans Thor geheftet. Als Wahrzeichen fchnitien die Fronboten brei Späne aus 
bemfelben. Würbe Gericht gehegt, fo bestieg berFreigraf ben Freistuhl. Vor ihm auf einem Tische lagen ein Schwert 
unb ein Strick als Zeichen ber Macht über Leben unb Tob. Ringsum saßen bie Schöffen, Erschien ber Verklagte, 
so würben ihm bie Augen verbunden und er in den Kreis geführt, wo ihm bie Klage Borgelesen würbe. 
Er konnte sich durch einen Eib von ber Anklage reinigen, boch stand dem Kläger das Recht zu, ihm einen 
Eib mit sechs „Eibhelfern" entgegenzustellen. Die Schöffen sprachen bas Urteil, Dieses lautete, wenn nicht 
Freisprechung erfolgte, auf Geibbuße, Verbannung oder Todesstrafe. Letztere wurde dadurch vollzogen, daß 
man den Verurteilten sofort an dem nächsten Baum aufknüpfte. Erschien der Verklagte nicht, so würbe er 
für fchulbig erkannt unb „verfemt". Er würbe von allen Wiffenben verfolgt. Keiner bürste bas Urteil 
verraten, aber alle waren verpflichtet, es zu vollstrecken. Zum Zeichen, baß ber Verurteilte bet Feme her¬ 
fallen fei, steckte man ein Mcffer neben bem Getöteten in bie Erbe. Die Femgerichte Berbreiteten sich nach 
unb nach über ganz Deutschland Verfolgte und Bedrückte aus fernen Gegenbett suchten Schutz und Recht 
bei ber „heiligen Feme", wenn sie ihnen von ben heimischen Gerichten versagt blieb.
	        
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