70 Bilder aus der deutschen Geschichte. 
welcher sie, gleich einem Igel in einen Knäuel zusammengeballt, durch einen undurch¬ 
dringlichen Lanzenwald jedem Angriff trotzboten. Der Geviertordnung des Igels ging 
beim Sturm wie bei jedem Angriff der „verlorne Haufen" voran. Dieser bestand 
meistens aus Freiwilligen. Zuweilen wurden die Glieder auch durchs Los bestimmt, 
oder die Fähulein hatten in bestimmter Reihenfolge diesen gefährlichen Dienst zu ber- 
sehen. Dem verlorenen Haufen folgte der „helle Haufen", die Masse des Heeres, im 
Viereck, _deffen_ Front nie über 101 Mann betragen sollte. Nach den vier Seiten 
standen im äußersten Glied die mit Panzern und langen Spießen ausgerüsteten Knechte; 
rn dem nach dem Feinde gerichteten ersten Gliede standen meist Doppelsöldner und die 
Mehrzahl der Hauptleute. Der Oberst schritt an jedem heißen Tage vor der Reihe. 
Erst später ward es üblich, um der gemeinen Sache willen, den Befehlshaber hinter den 
Reihen der Knechte zu schirmen. Die hinter dem ersten Glied streckten ebenfalls die 
langen Spieße dem Feinde entgegen und schlossen so die Lücken des ersten Gliedes. 
Dann folgten die andern Glieder mit aufrecht getragenen Spießen. Die Fahnen 
wurden meistens in der Mitte, zum Teil auch in der ersten Reihe getragen. Im letzten 
Gliede marschierten besonders starke Männer, welche kraftvoll vorwärts dringend dem 
Ganzen den gehörigen Nachdruck gaben. Langsam, im Taktschritt bewegte sich das Heer 
vorwärts, die vor der Front ausgestellten Geschütze, die meist nur einmal abgefeuert 
wurden, hinter sich lassend. 
Ein in besseren Zeiten der Landsknechte nie versäumter Brauch war es, vor 
Beginn einer Schlacht niederzuknieen und ein Gebet zu verrichten, wohl auch ein Lied 
zu fingen. 
Strafen. Vergehen gegen den Artikelbrief wurden streng gestraft. Das Urteil 
sprach ein von Hauptleuten, Fähnrichen nnd Feldwebeln gebildetes Gericht. Dem An¬ 
geklagten wurde ein „Fürsprech" gestellt. War das Urteil gesprochen, so wurde über 
dem Haupt des Verurteilten der Stab gebrochen und er durch den Prosoß dem Nach¬ 
richter übergeben zur ^sofortigen Urteilsvollstreckung. Ein Todesurteil wurde durch 
Enthaupten von dem Scharfrichter oder durch Spießrutenlaufen von den eigenen Ge¬ 
nossen, die sich mit ihren Spießen in zwei Reihen gegenüber aufstellten, vollzogen. 
Eine von den Knechten mit fcheueu Blicken angesehene Gestalt war deshalb der „Frei¬ 
mann" oder Scharfrichter mit rotem Wams, einer roten Feder auf dem Hute und dein 
breiten Richtschwert an der Seite. Als eine Landplage wurden, namentlich von den Bauern, 
besonders diejenigen Landsknechte betrachtet, welche von einem Hauptmann entlassen im 
Lande umherzogen, bis sie wieder angeworben wurden. Sie „garteten", d. h. bettelten 
und wurden deshalb „Gartbrüder" genannt. 
26. Die Deformation. 
Veranlassung. Eines der wichtigsten Ereignifse, durch das gleichsam ein neuer 
Zeitabschnitt in ber Weltgeschichte eingeleitet wurde, ist bie Reformation. Schou im 
15. Jahrhunbert war bas Bedürfnis einer Verbesserung ber Kirche an Haupt unb 
©liebern lebhaft gefühlt worden, denn im Laufe ber Zeit hatten sich mancherlei 
Mißbrauche in die christliche Kirche eingeschlichen. Deshalb hatten auch bie Kirchen¬ 
versammlungen in Konstanz mtb Basel sich laut für bie Notweubigkeit einer Kirchen- 
Verbesserung ausgesprochen. Leiber umsonst! Man verharrte bei betn einmal Herge¬ 
brachten, unb so mußte es endlich zu einer Kirchentrennung kommen. Begünstigt würbe 
diese Bewegung durch die vorausgegangene Erfindung ber Buchdruckertuust mtb bie 
Entdeckung Amerikas, woburch bas geistige Leben bes Volkes mächtig angeregt worben 
war. Die beutsche Reformation nahm ihren Ausgang von Wittenberg in Sachsen 
durch ben ehemaligen Augustinermönch Martin Luther. 
Martin Luther wurde am 10. November 1483 zu Eisleben im Mansseldischen 
geboren. Sein Vater war ein armer, aber seiner Frömmigkeit wegen allgemein ge¬ 
achteter Bergmann. Die Erziehung ihres Sohnes ließen sich die Eltern sehr angelegen 
sein. Luther erzählt selber: „Meine Eltern haben mich hart gehalten, daß ich darüber 
ganz schüchtern wurde. Die Mutter stäupte mich einmal um geringer Ursach willen, 
daß das Blut darnach floß." Da der kleine Martin hervorragende Begabung zeigte, 
so brachte ihn sein Vater auf die lateinische Schule nach Magdeburg, später nach 
Eisenach. 1501 kam Luther auf die Hochfchule zu Erfurt, um Rechtswissenschaft zu 
studieren. In der dortigen Bücherei fand er zum erstenmal eine Bibel, die mit einer 
Kette angeschlossen war, um sie vor Diebstahl zu sichern. Er las fleißig darin und
	        
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