Die Reformation. 71
hatte keinen sehnlicheren Wunsch, als ein solches Buch sein eigen nennen zu können.
Erschütternde Ereignisse, wie der plötzliche Tod seines Frenndes Alexius und ein Blitz¬
strahl, der neben ihm in die Erde fuhr, veranlaßten ihn, in ein Kloster zu gehen lind
sich der Gottesgelehrtheit zu widmen. Obgleich er sich mit strengster Gewissenhaftigkeit
allen vorgeschriebenen Bußübungen unterwarf, so blieb er doch in beständigen Zweifeln
wegen seiner Seligkeit. Er fand erst Rnhe für seine Seele, als ihn der Vorsteher des
Klosters, Dr. Staupitz, auf eine Stelle der H. Schrift verwies, in der von der Recht¬
fertigung durch den Glauben die Rede ist.
Auf Veranlassnng dieses Dr. Staupitz wurde Luther 1508 durch den Kurfürsten
von Sachsen als Lehrer an die neugegründete Hochschule in Wittenberg berufen. Eine
Reife nach Rom, die Luther 1510 unternahm, blieb nicht ohne Einfluß auf sein späteres
Auftreten. Er sagt davon: „Ich wollte nicht hunderttausend Gulden dasür nehmen, daß
ich nicht Rom gesehen hätte; ich müßte sonst immer besorgen, ich thäte dem Papst Ge¬
walt und Unrecht; aber was wir sehen, das reden wir".
Ter Ablaßstreit. Zur Vollendung der Peterskirche in Rom, eines der gro߬
artigsten Gotteshäuser der Erde, sollte ein vom Papst Leo X. ausgeschriebener all¬
gemeiner Ablaß das Geld schaffen. Dieser Ablaß war ursprünglich nur ein Nachlaß
von Strafen oder Bußen, welche die Kirche für manche Sünden auferlegte,
die in der Gemeinde Ärgernis erregt hatten. Bei der Roheit der Zeit wurde jedoch
der Ablaß von vielen für einen Nachlaß der Sündenschuld selbst gehalten, von der
die Kirche lehrt, daß er nur durch Reue uud Buße erlangt werden könne. Der
große Hause meinte nun, mit Geld sich von seinen Sünden loskaufen uud den Him¬
mel gewinnen zu können. In dieser unchristlichen Auffassung wurden _ diese Leute
durch das marktschreierische Auftreten mancher Ablaßprediger nur noch bestärkt. Ein
solcher Mann war der Dominikanermönch Johann Tetzel, der in Norddeutschland
den Ablaß verkündigte.
Tic 95 Sätze. Viele tadelten Tetzels Benehmen, darunter auch Dr. Martin
Luther. Nach der auf Hochschulen üblichen Sitte schlug er am 31. Oktober 1517
95 Sätze „wider den Ablaß" an der Thür der Schloßkirche zu Wittenberg an. Inner¬
halb weniger Wochen verbreiteten sich diese Sätze über ganz Deutschland. Leo X.
wollte Luther dasür zur Verantwortung ziehen. Eine Unterredung in Augsburg mit
dem Kardinal Kajetan blieb ohne Ersolg, da letzterer aus die von Luther verlangten
Gründe nicht einging, sondern einfach Widerruf verlangte. Dem päpstlichen Kammer-
herrn von Miltitz gegenüber erklärte Luther sich bereit zu schweigen, wenn auch seine
Gegner schwiegen. Dies geschah jedoch nicht. Dr. Eck aus Ingolstadt setzte den
Streit sort, indem er Luther zu einer öffentlichen Disputation in Leipzig heraus¬
forderte. Auch diese führte zu keinem Ziele, weil Dr. Eck auf die Forderung Luthers,
ihn mit Gründen aus der h. Schrift zu widerlegen, nicht einging. Da Luther zum
Widerruf nicht zu bewegen war, so wurde der Bannfluch über ihn ausgesprochen.
Dies führte Luther immer weiter. Indem er 1520 vor dem Elsterthor in Wittenberg
die Bannbulle öffentlich verbrannte, sagte er sich vollständig von der römischen Kirche
los. Immer noch blieb Luther Augustinermönch, bis er sich 1525 mit Katharina
von Bora verheiratete.
Ter Reichstag zu Worms (1521). Inzwischen war Kaiser Maximilian ge¬
storben und Karl V., sein Enkel, zum Kaiser erwählt worden Dieser berief einen
Reichstag nach Worms und lud auch Luther, unter Zusicheruug freien Geleits, vor
denselben. Als Luthers Freuude ihn an das Schicksal des Hitß erinnerten, sprach er:
„Wenn sie ein Feuer machten von Wittenberg bis Worms, so wollte ich doch hin¬
gehen!" Kurz vor Worms warnte man ihn nochmals, da antwortete er: „Wenn so
viel Teufel in Worms wären, als Ziegel auf den Dächern, ich ginge doch hinein!"
Auch in Worms war Luther zum Widerruf nicht zu bewegen. In längerer Rede
verteidigte er feine Lehre uud schloß mit den Worten: „Es fei denn, daß ich durch
Zeugnisse aus der H. Schrift oder mit klaren hellen Gründen überwiesen werde, will
ich nicht widerrufen, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen fein Gewissen
zn thun! Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helse mir! Amen." Luther
und feine Anhänger wurden nun in die Acht erklärt, doch gab man ihm noch 21 Tage