Full text: Hilfsbuch für den Unterricht in der alten Geschichte

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Die griechische Geschichte. 
sein Wahlspruch und andere zu dieser Selbsterkenntnis zu führen sein 
eifrigstes Bestreben. „Ich weiß, daß ich nichts weiß", sagte der 
von sich, den das delphische Orakel für den Weisesten aller Griechen er¬ 
klärt hatte. Als das höchste Gut, nach dem der Mensch streben müsse, 
galt ihm die Tugend. Daher achtete er den sinnlichen Genuß gering 
und empfand den Mangel an irdischem Gut nicht als ein Unglück. „Wer 
am wenigsten bedarf, kommt der Gottheit am nächsten," 
sagte er. Als ihn der König von Macedonien an seinen Hof einlud und 
ihm reichen Lohn versprach, lehnte er das Anerbieten ab mit den Worten: 
„Mir fehlt nichts; denn in Athen kauft man vier Maß 
Weizengraupen für eineu Obolus, und das beste Quell¬ 
wasser fließt dort umsonst". Doch war er bei aller Bedürfnis¬ 
losigkeit kein mürrischer Sonderling; er war fröhlich mit den 
Fröhlichen uud konnte beim festlichen Gelage ein heiterer Genosse sein. 
Seinen Körper hatte er durch eine naturgemäße Lebensweise 
und durch Abhärtung aller Art so gestählt, daß er die schwersten 
Entbehrungen und Anstrengungen spielend ertrug und von jeder Krankheit, 
selbst von der fürchterlichen Pest, unangefochten blieb. Als Bürger er¬ 
füllte er treu seine Pflichten, im peloponnesischen Kriege zeigte er sich als 
tapferer und unerschrockener Soldat. Sokrates war ein schlichter, 
einfacher Mann, aber eine harmonisch in sich abgeschlossene 
Persönlichkeit. 
Auf den gleichen hohen sittlichen Standpunkt suchte Sokrates auch 
jeine Schüler zu erheben, die sich bei seinen Spaziergängen auf dem 
Markte und am Strande des Hafens oder in den Ringschulen um ihn 
sammelten. Er trug seine Anschauungen nicht etwa in belehrender Rede 
vor, sondern im Wechselgespräch wußte er seine Zuhörer so zu leiten, 
daß sie schließlich die sittlichen Wahrheiten, zu deren Erkenntnis er sie 
führen wollte, selbst fanden. Er wollte seinen Schülern feine Über¬ 
zeugungen einreden, sondern ihnen nur behilflich fein, „die in ihnen 
ruhenden Gedanken an das Licht zu ziehen und das, was sie an Wahr¬ 
heit unbewußt in sich trugen, zum Bewußtsein zu bringen." Sokrates 
selbst nannte seine Lehr weise deshalb Mäeutik oder Entbindungskunst. 
Die Nachwelt kauu ihm den Namen eines Lehrers der Weisheit, 
den er selbst für sich ablehnte, nicht verweigern. 
Als ein Märtyrer feiner Überzeugung ist Sokrates in den 
Tod gegangen. Durch seinen sittlichen Ernst und durch die Offenheit, mit 
der er auch Verfehlungen angesehener Männer zu tadeln pflegte, hatte er 
die Eitelkeit vieler Mitbürger verletzt. Dazu kam, daß Alcibiades uud 
die geistig hervorragendsten unter den dreißig Tyrannen seine Schüler ge¬ 
wesen waren. Man führte deren politisches Verhalten auf den Einfluß
	        
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