218 Drelzehntes Hauptstück. Die Reform. tn einem Freist.
zur Vorliebe für den evangelischen Glauben bestimmt worden
war. Die trefflich verwaltete, wohlgesittete, in unvergleichlich
schöner Gegend, auf der Markscheide zwischen den Völkern
deutscher, französischer und italiänischer Zunge gelegne
Stadt Genf, zusammt dem weitverbreiteten Nufe der ihre
Hochschule zierenden Männer, lud bald von allen Seiten die
Wißbegierigen als Lehrerin, die um des Glaubens willen
Verfolgten als Beschützerin in ihre gastfreundlichen Mauern,
welche nicht so leicht Jemand verließ, ohne die Ueberzeu-
gung im Herzen zu tragen, daß auch der letzte Rest pa-
pistischer Gebräuche verwerflich sey, und daß die Gemeinde,
wenn auch nur mittelbar, doch jedenfalls Theil nehmen
müsse am Regiment der Kirche; und weil mau das Ur¬
bild einer solchen Verfassung in Genf gesehen und nach
der Rückkehr in die Heimath unter dem Drucke andrer
Gesetze und andersdenkender Regenten zu leiden hatte,
so mochte sich den schönen Erinnerungen an die Universität
gern eine gewisse Vorliebe für die Freistadt beigesellen.
Calvin, dem die Genfer diesen Ruhm und Zufluß von
Fremden verdankten, wollte bei aller Macht seine Lauf¬
bahn nicht reicher beschließen, als er sie angetreten hatte.
Von seinem Gehalte, der sich, neben freier Wohnung,
12 Maß Getreide und zwei Tonnen Weins, auf 50 Tha-
ler belief, trat er während einer Theurung 20 Thaler
ab, und wies eine ihm angebotne Zulage mit den Worten
zurück: »ich arbeite, damit Andre von mir Gewinn ha¬
ben." Körperschwäche und häufige Kränklichkeit schärften
nur seinen herrischen, dem Widerspruch abholden Charak¬
ter; in Thätigkeit bestand sein Leben: »wenn es so sort-
geht," sagte er einmal, »so werde ich noch vergessen, wie
Gottes liebe Sonne aussieht;" als er die Feder nicht
mehr halten konnte, diktirte er noch, bis den 27. Mai
1564 die Auszehrung seine erschöpften Kräfte auflöste.