Full text: Lebensbilder und Sagen (Teil 1)

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die Fürsten ihn wählten, war er gerade in eine Fehde mit dem Bischof 
von Basel begriffen und belagerte die Stadt. „Nun sitz fest, Herr- 
Gott im Himmel", rief der Bischof aus, als er die Nachricht hörte, 
„sonst wird dich dieser Rudolf noch vom Throne stoßen." Rudolf 
machte übrigens sogleich Frieden mit den Baselern und zog nach 
Aachen, wo er gekrönt wurde. 
3. Nur einer der oben genannten mächtigen Fürsten war mit 
der Wahl des Grafen von Habsbnrg unzufrieden, das war der reiche 
und übermütige Böhmenkönig Ottokar. Er war während des Zwischen¬ 
reiches von den österreichischen Edelleuten eingeladen worden, das 
schöne Land an der Donau in Besitz zu nehmen, und so schaltete er 
denn in Österreich, Steiermark, Kram und Kärnten. Diese Macht 
schien ihm ein Anrecht auf die deutsche Krone zu verleihen, aber die 
Fürsten wählten ihn gerade deshalb nicht, weil diese Macht so groß 
war. Ottokar unterließ es, dem neuen Kaiser zu huldigen und sein 
Gebiet als Lehen von ihm in Empfang zu nehmen, ja er spottete des 
kleinen Grafen, der ihm nicht gefährlich werden konnte. Rudolf sammelte 
deshalb ein Heer und zog gegen Ottokar. Die österreichischen Städte 
öffneten ihm die Thore, und der Böhmenkönig beeilte sich Frieden 
zu schließen. Doch er war zu hochmütig um sich dem Kaiser völlig 
zu fügen. Er empörte sich abermals, doch Rudolf schlug ihn in 
der großen Schlacht auf dem Marchfelde (1278). Die Böhmen er¬ 
griffen die Flucht, Ottokar wurde getötet. Die von ihm beherrschten 
österreichischen Länder gab Rudolf feinen Söhnen Albrecht und 
Rudolf und begründete damit den habsburgischen Staat Österreich. 
4. Der Unordnung im Reiche suchte Rudolf dadurch zu steuern, 
daß er bie alten Landfrieden erneuerte, durch die das Fehdeweseu 
beschränkt, Gewaltthat streng bestraft wurde. Auch persönlich züchtigte 
er die Friedensbrecher: in Thüringen zerstörte er mehrere Raubburgen 
und ließ die Wegelagerer hinrichten. Ans einer Reise nach Speier 
starb er in Germersheim. Im Dome zu Speier liegt er begraben. 
5. Rudolf war ein hochgewachsener Mann, er maß sechs Fuß. 
Sein Gesicht zeigte feste, etwas strenge Züge, die von einer besonders 
großen Nase beschattet wurden. Obgleich er nicht arm an Gütern 
war, ließ die zahlreiche Familie rechten Wohlstand nicht auskommen; 
Rudolf befand sich stets in Geldverlegenheit. Er selbst hatte freilich 
wenig Bedürfnisse. Besonders ging er immer einfach gekleidet. Als 
Ottokar mit ihm zusammentraf, entwickelten die stolzen Böhmen die 
höchste Pracht; Rudolf erschien in einem einfachen grauen Rock von 
grobem Tuch. Einst klagten seine Begleiter ans dem Marsche über
	        
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