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Königs ihren Enkeln, wie ihnen auch an andern preußischen Beamten
die Pünktlichkeit, Strenge und Ehrlichkeit ausgefallen war. Da war
in jeder Kreisstadt ein Einnehmer der Steuern, er hauste in seiner
kleinen Dienststube, die vielleicht zu gleicher Zeit sein Schlafzimmer war,
und sammelte in einer großen hölzernen Schüssel die Grundsteuer, welche
die Schulzen allmonatlich am bestimmten Tage in seine Stube trugen.
Viele tausend Taler wurden auf langer Liste verzeichnet und bis auf
den letzten Pfennig in die großen Hauptkassen abgeliefert. Gering war
die Besoldung auch eines solchen Manns, er saß, nahm ein und packte
in Beutel, bis sein Haar weiß wurde und die zitternde Hand nicht
mehr die Zweigroschenstücke zu werfen vermochte. Und der Stolz seines
Lebens war, daß der König auch ihn persönlich kannte, und wenn er
einmal durch den Ort fuhr, während des Umspannens schweigend aus
seinen großen Augen nach ihm hinsah oder, wenn er sehr gnädig war,
ein wenig gegen ihn das Haupt neigte. Mit Achtung und einer gewissen
Scheu sah das Volk auch auf diese untergeordneten Diener eines neuen
Prinzips. Und nicht die Schlesier allein. Es war damit überhaupt
etwas Neues in die Welt gekommen. Nicht aus Laune nannte Fried¬
rich II. sich den ersten Diener seines Staats. Wie er auf den Schlacht¬
feldern seinen wilden Adel gelehrt hatte, daß es höchste Ehre sei, für
das Vaterland zu sterben, so drückte sein unermüdliches, pflichtgetreues
Sorgen auch dem kleinsten seiner Diener in entlegnem Grenzort die
große Idee in die Seele, daß er zuerst zum Besten seines Königs
und des Landes zu leben und zu arbeiten habe.
Wohl war es ein ernstes, oft rauhes Leben in des Königs Dienst,
unaufhörlich das Schaffen und Entbehren, auch dem Besten war es
schwer, dem strengen Herrn genug zu tun, auch der größten Hingebung
wurde ein kurzer Dank; war eine Kraft abgenutzt, wurde sie vielleicht
kalt beiseite geworfen: ohne Ende war die Arbeit, überall Neues, An¬
gefangnes, Gerüste an unfertigem Bau. Wer in das Land kam, dem
erschien das Leben gar nicht anmutig, es war so herb, einförmig, rauh,
wenig Schönheit und sorglose Heiterkeit zu finden. Und wie der frauen¬
lose Haushalt des Königs, die schweigsamen Diener, die unterwürfigen
Vertrauten unter den Bäumen eines stillen Gartens dem fremden Gast
den Eindruck eines Klosters machten, so fand er in dem ganzen preußischen
Wesen etwas von der Entsagung und dem Gehorsam einer großen,
emsigen Ordensbrüderschaft.
Denn auch auf das Volk selbst war etwas von diesem Geist über¬