Full text: Deutsche Geschichte von der Völkerwanderung bis zur Gegenwart (Teil 3)

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anbetn Gebäuden) baftanb. Im obernen Stockwerk bes Turmes weilte bestänbig 
ber Turmwart, um bei Tag unb Nacht auszuschauen, ob etwa ein Feinb nahe. 
Drohte Gefahr, so stieß er in bas gellende Horn, um bie Insassen ber Burg 
aufmerksam zu machen. Wenn es Raum unb Mittel zuließen, so baute man 
neben bem Bergfrieb ein besonberes Herrenhaus, ben Palas bes Ritters, 
ber oft recht stattlich nub geräumig war. Vermehrte sich bie Familie burch 
Kinber ober Zuzug von Verwanbten, ober war ber Burgherr ein Gras ober 
Fürst, so entstanben An- unb Neubauten, bie freilich bes knappen Raumes wegen 
oft sehr hoch ausgeführt werben mußten. Ans einer ansehnlichen Burg fanb 
mau auch ein heizbares Frauenhaus, KemnLte. Größere Burgen hatten 
auch Frembenzimmer unb eine Babestube. Außerbem gab es eine Burg- 
k a p e l l e , bereu „B u r g k a p l a n" zugleich Schreiber unb Hauslehrer 
ber Familie sein mußte. Im Schnitzhause fertigte man Lanzen, Schilbe, 
Waffen unb auch wohl Geräte für ben häuslichen Bebarf an. Im Rüst* 
Haus besanben sich bie Waffen unb Waffenanzüge. Schauerlich sah es im 
Burgverließ, bem untern Teil bes Bergsriebs, aus, wo man bie Ge¬ 
fangenen unterbrachte. Außerhalb ber eigentlichen Burg lag ein freier Raum, 
welcher Vorhof ober Zwinger hieß. Hier stauben bie Wirtschafts¬ 
geb äube unb bas Wohnhaus für bie Knechte; auch fanb man bort bie 
Scheunen, außerbem bie Stallungen für Pf erbe, Rinber, Schweine, Hunbe, 
Hühner, Jagbfalken ufw. Vom Zwinger gelangte man zum Tor-Turm, ber 
zu Verteibigungszwecken biente. Zwischen bem Herrenhaus unb Tor-Tu^m 
lag bie Küche. Aus einem Ziehbrunnen, ber sich aus beut Hofe ober 
im Bergfrieb befanb, mußte man bas Wasser für bett Bebarf emporwinben. 
Häusliche Einrichtungen. Sehr behaglich war bas Leben auf einer 
Burg nicht. Im Winter faß man, in Pelze gehüllt, fröstelttb am schlecht heizen¬ 
den Kantine. Ta bie kleinen trüben Horn- unb Pergamentfenfterfcheiben nicht 
genügenb Licht hinburchließen, bie Fensterläden aber bei Unwetter geschlossen 
würben, so mußte man oft auch am Tage ben Kienfpan ober ein Wachslicht an- 
zünben. Wie eng wohnte überhaupt alles zusammen, wenn z. B. auf kleinen 
Burgen nur ein Raum als Schlaf-, Wohn- unb Gastzimmer biente! Im 
Sommer zeigte sich bas Hauswesen in einer sreunblicheren Gestalt. Tann war 
es angenehm, vom hohen Erker über bie Wipsel ber Bäume ins Tal zu schauen 
ober im Gärtchen an ber Burgmauer zu sitzen, wo Lilien unb Rosen blühten 
unb bie Vögel sangen. Auch im Saal, bem Hauptraum bes Palas, war es 
bann lustig unb hell, unb man sah, baß hier schöne Teppiche bie Wänbe unb ben 
Fußboben zierten, unb bie Möbel bunt bemalt waren. Die Kemnate war mit 
Handarbeiten ber Frauen geschmückt; benn in jener Zeit webten, nähten unb 
stickten bie Ebelsrauen sehr kunstvoll unb fleißig. 
Sitten. Soweit es bie Verhältnisse gestatteten, sah man in Ritterkreisen 
auf Reinlichkeit, schöne Kleibung unb Schmuck. Es gab bamals schon Schleppen, 
spitze Schuhe, Haubschuhe, Schminke unb falfche Haare. — Bei Tische ging es 
jeboch vielfach anbers zu, wie bei uns. Das Fleisch, welches auf bie Tafel kam, 
war bereits von besonbers bazu bestellten Knaben ober Mäbchen zerkleinert, unb 
man führte bie einzelnen Bissen mit ben Fingern nach bem Munbe; benn 
Gabeln waren für biefen Zweck noch nicht im Gebrauch. Natürlich fanb 
vor Tisch ein allgemeines Hänbewaschen statt, ehe bie Finget in bie Schüssel 
fuhren. Oft aßen zwei ober mehrere Personen ans berselben Schüssel unb
	        
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