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auch das ebene Land wieder trocken da. Aber ringsum war alles 
wüst und öde; Grabesstille war über das Land ausgebreitet. Mit 
Schlamm waren Felder und Wiesen bedeckt, und unbelebt von Men¬ 
schen und Tieren lag die Natur. 
Trauernd blickten die beiden einzig noch übrig Gebliebenen 
um sich, und jede Wolke, die am Himmel emporstieg, flößte ihnen 
Furcht und Schrecken ein, denn sie fürchteten, das Unwetter möchte 
von neuem losbrechen. Als sie sich so einsam sahen, klagte Deu- 
kalion, daß sein Vater Prometheus ihn nicht die Kunst gelehrt 
habe, Menschen aus Thon zu formen. Weinend sanken Deukalion 
und Pyrrha vor einem durch die Flut halb zerstörten Altäre der 
Göttin Themis auf ihre Kniee nieder und flehten die Göttin, die 
Welt wieder mit einem neuen Geschlechte zu beleben. 
Da ertönte plötzlich die Stimme der Göttin und ließ sich also 
vernehmen: „Umschleiert euer Haupt, löset eure gegürteten Glieder 
und werfet die Gebeine eurer Mutter hinter euch." Erstaunt hörten 
die beiden den Spruch der Göttin und wußten lange nicht, ihn zu 
deuten. Endlich sprach Deukalion: „Das Wort der Göttin ist gut 
und fordert keinen Frevel. Nicht sollen wir die Gebeine deiner 
verstorbenen Mutter kränken, indem wir sie in die Lüfte werfen 
und sie zerstreuen. Unser beider Mutter ist die Erde und ihre Ge¬ 
beine sind die Steine. Die wollen wir hinter uns werfen, so wer¬ 
den wir erfahren, was der Spruch der Göttin zu bedeuten hat." 
Und dem Worte der Göttin folgend, verhüllten sie ihr Haupt, ent- 
gürteten ihre Glieder, erfaßten Steine und warfen sie hinter sich. 
Da verlor das Gestein seine Härte und Sprödigkeit, es wurde 
geschmeidig, wuchs und gewann Gestalt. Allmählich trat an ihnen 
immer mehr die menschliche Form hervor. Was an den Steinen 
Weiches und Erdiges war, das wurde zu Fleisch, das Feste ver¬ 
wandelte sich in Knochen, das Geäder in den Steinen aber blieb 
Geäder. Die Steine, die Deukalion hinter sich geworfen hatte, 
wurden zu Männern, die der Pyrrha zu Frauen. 
Neue Menschen waren somit entstanden, ein hartes, rauhes 
Geschlecht, tauglich zu schwerer Arbeit und den Ursprung, den es 
genommen, nimmer verleugnend.
	        
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