26 
Vor den Augen des Königs, der Königin und ihrer Tochter 
ward der Zweikampf gehalten. Nach langem und heißem Ring¬ 
kampfe warf Herkules den Flußgott zu Boden; der aber verwan¬ 
delte sich sofort in eine Schlange. Auch diese ergriff Herkules, und 
sie wäre von ihm zerdrückt worden, wenn Achelous nicht plötzlich in 
neuer Verwandlung die Gestalt eines Stieres angenommen hätte. 
Herkules ließ sich aber nicht irren; er ergriff das Tier bei den Hör¬ 
nern und warf es mit solcher Gewalt zur Erde, daß Achelous sich 
für überwunden erklärte und dem Sieger die Braut überließ. 
Als Herkules darnach mit seiner Gattin nach seiner Heimat 
Theben reiste, gelangte er an den Fluß Evenus. Hier wohnte 
der Centaur Nessus, der von den Göttern das Recht erhalten 
hatte, die Reisenden um ein Fährgeld über den Fluß zu tragen. 
Herkules bedurfte nun zwar eines solchen Dienstes nicht, wohl 
aber nahm der Centaur des Helden Gattin auf seinen Rücken, um 
sie ans andere Ufer zu tragen. Als er daselbst angekommen, setzte 
er sich in Galopp, um die schöne Dejanira zu entführen. Erschreckt 
rief diese um Hilfe, und Herkules legte einen jener Pfeile, die mit 
dem Gifte der Lernäischen Hydra getränkt waren, auf den Bogen 
und schoß ihn dem Centauren durch den Leib. 
Der Centaur fühlte augenblicklich, daß seine Wunde tätlich 
war, und schnell entwarf er einen tückischen Racheplan. Er sprach 
zu Dejanira: „Weil du die letzte bist, die ich getragen habe, so 
sollst du auch noch einen Vorteil von meinem Tode haben. Ich 
rate dir nämlich, von dem Blute, das aus meiner Wunde quillt, 
etwas zu sammeln. Tränkst du mit demselben die Wolle, aus dem 
du deinem Gatten ein Unterkleid bereitest, so wirst du seiner Treue 
sicher sein, und niemals wird er ein Weib mehr lieben, als dich." 
Der Centaur starb, Dejanira aber that, wie er ihr geraten 
hatte, sammelte etwas von dem Blute und bewahrte es ohne Wissen 
des Herkules auf. 
Lange Jahre lebte hierauf Herkules mit seinem Weibe in gutem 
Frieden; selten zog er noch auf Krieg und Abenteuer aus, sondern 
widmete sich vorzugsweise der Erziehung seines Sohnes Hyllus. 
Einst aber zog er in den Krieg gegen Eurytus,einen König 
aus der Insel Eubäa. Er belagerte dessen Stadt Öchalia, und 
bei der Einnahme derselben wurden der König und seine drei 
Söhne getötet, Jole aber, die schöne Tochter desselben, gefangen 
genommen. 
In banger Sorge um den Ausgang des Krieges wartete De¬ 
janira auf Nachricht von ihrem Gatten. Da kam ein Bote des¬ 
selben und verkündete ihr, daß Herkules siegreich heimkehre und 
nur noch durch ein Opfer zurückgehalten werde, welches er dem 
Zeus bringen wollte. Auch berichtete der Bote von den Gefangenen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.